Werner Dieterich und Patientenfürsprecherin Renate Gebeßler Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In Stuttgart gibt es einen Patientenfürsprecher, im gesamten Südwesten erst 40. Das Sozialministerium und die Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg wollen die Zahl der ehrenamtlichen „Anwälte für die Kranken“ erhöhen. Ein schwieriges Unterfangen.

Stuttgart - Renate Gebeßler ist in ihrem Element. Sie eröffnet an diesem Abend eine neue Ausstellung im Karl-Olga-Krankenhaus. Zu sehen sind dort bis September Bilder der Waiblinger Künstlerin Ute Günthner. Die Werke sind teils aus Mullbinden gefertigt, teils aus Schwemmgut der Braunsbacher Unwetterkatastrophe. Das Motto: „Verbindungen“.

Seit mehr als 20 Jahren schon ist Renate Gebeßler dem Karl-Olga-Krankenhaus verbunden. Die Professorin studierte unter anderem Psychologie und Philosophie. Schon seit den 1970er Jahren beschäftigt sie sich mit der Humanisierung von Kliniken. Als Kuratorin gelang es ihr früh, unter anderem ein Kunstkonzept am Karl-Olga-Krankenhaus zu etablieren. Bis heute entstanden mehr als 100 Ausstellungen als Teil des Ziels, ein gesundheitsförderndes Umfeld zu schaffen. „Wir machen diese Ausstellungen für Patienten, Mitarbeiter und Besucher“, sagt sie.

„Es ist wichtig, im Alltagsstress eines Krankenhauses auch Oasen der Ruhe einzubauen“, betont Klinik-Geschäftsführer Sebastian Stief. Aber auch bei der Auswahl von Materialien für die Raumausstattung und bei der Farbkonzeption berät die gebürtige Stuttgarterin das Krankenhaus.

Seit 2016 ist die 73-Jährige auch Patientenfürsprecherin im Karl-Olga-Krankenhaus. Ein Glücksfall für die Klinik, da Gebeßler mit der Materie Krankenhaus bestens vertraut ist. Viele Alltagsbeschwerden können zwar vom Beschwerdemanagement der Klinik direkt geklärt werden. Doch in manchen Fällen wird der Patientenfürsprecher benötigt. „Wenn es kriselt oder um die letzten Dinge geht“, dann werde sie gerufen, berichtet Gebeßler.

Ein Fall ging ihr besonders unter die Haut: Eine Moslem-Familie wollte nicht akzeptieren, dass für den Vater keine medizinische Hilfe mehr möglich war, dass er sterben musste. Es kam zur Eskalation mit den behandelnden Ärzten und den Pflegekräften. Renate Gebeßler wurde hinzugerufen und erzählte der Familie folgenden Vergleich: Ihr Vater sei wie ein Vogel, der jetzt zum Himmel fliegen wolle. Die Angehörigen aber hielten seine Flügel fest, so dass sein letzter Wunsch unerfüllbar bleibe. Dieses Bildnis führte dazu, dass die Familie ihr Denken ändern konnte.

Es geht um das Wohl der Patienten

„Es geht immer um das Wohl der Patienten“, betont Renate Gebeßler. Das zeigt sie an diesem Abend auch im Gespräch mit Werner Dieterich. Der 67-Jährige aus Gerlingen ist Patient in der Handchirurgie. Als er mit Renate Gebeßler spricht, hat er bei der Hygiene und beim Essen ein paar Verbesserungsvorschläge. „Das gebe ich gleich an die Pflegedirektion weiter“, verspricht ihm die Fürsprecherin.

Auch im Sozialministerium des Landes hält man große Stücke auf die Patientenfürsprecher. „Das Krankenhauspersonal hat immer weniger Zeit für Gespräche. Die Fürsprecher aber bringen Zeit mit“, sagt ein Sprecher. Sie sollen deshalb als unabhängige Ansprechpartner da sein und „eine Mittlerrolle zwischen Patient und Krankenhaus“ einnehmen. Besonderen Bedarf gibt es in der Psychiatrie, wo es darum geht, ob das Unterbringungsgesetz eingehalten wird und ob mit den dortigen Patienten korrekt umgegangen wird.

Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg bisher rund 40 Patientenfürsprecher. Staatssekretärin Bärbl Mielich (Grüne) forderte schon vor einem Jahr: „Wir brauchen deutlich mehr davon.“ Deshalb hat das Ministerium mit der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) im Juli 2016 eine Vereinbarung abgeschlossen, um das Ehrenamt attraktiver zu machen. Das Ziel ist, dass an jedem Krankenhaus an den rund 250 Klinikstandorten im Südwesten ein Fürsprecher eingesetzt wird. Dazu wurde ein Curriculum für eine zweitägige Fortbildung erarbeitet. Die Kosten trägt das Ministerium.

Allerdings besteht für die Kliniken kein Zwang, einen Fürsprecher zu berufen. Das Land setzt auf Freiwilligkeit. „Wir müssen Personen finden, die kommunikativ und den Menschen zugewandt sind sowie die Prozesse und Strukturen des Krankenhauses kennen. Sonst funktioniert es nicht“, sagt BWKG-Geschäftsführer Matthias Einwag. Das allerdings sei nicht einfach. Einwag: „Praktisch hat es sich als schwierig erwiesen, passende Persönlichkeiten zu finden.“ Beim Karl-Olga-Krankenhaus zumindest ist es gelungen.