Der Paternosterexperte Erwin Barth inspiziert die Führungsschienen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Mitte der kommenden Woche ist der Paternoster im Rathaus repariert. An diesem Freitag erlaubt der Bundesrat, dass ihn die Allgemeinheit nach zeitweiligem Verbot wieder nutzen darf.

Stuttgart - Seit Anfang April ist der 1956 gebaute öffentliche Paternosteraufzug im Rathaus defekt. „Die Aufhängung einer Kabine ist gebrochen, deshalb hat sie sich verkantet. Dabei verbog sich der Metallrahmen, und die Holzwände wurden beschädigt“, sagt Wolfgang Tesch, stellvertretender Leiter der Abteilung allgemeiner Service in der Stadtverwaltung. Warum ersetzt man das alte Gerät nicht einfach durch einen modernen Aufzug? „Wenn im Rathaus Veranstaltungen sind, bringt der Paternoster die Leute schnell weg. Wenn er ausfällt, stehen sie Schlange vor den zwei Aufzügen, die in den einzelnen Stockwerken halten“, sagt Wolfgang Tesch. Im Rathaus gebe es zwei Paternoster für Personal und einen für die Öffentlichkeit. In 59 Dienstjahren hätten sie tadellos funktioniert. „Natürlich gab es ab und zu kleinere Unfälle, wenn Handwerker Leitern in die Kabine zwängen wollten. „Die Leiter zerreißt es dann komplett, weil sie verkantet. Dabei wird die Kabine beschädigt.“

Gerade Unfälle wie diese hätten der Öffentlichkeit beinahe den Spaß am Paternoster-Fahren vermasselt. Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) wollte deshalb Paternosterfahren nur noch Verwaltungsmitarbeitern nach genauer Einweisung in die Benutzung des Aufzugs erlauben. Nach heftigen Protesten erlaubte sie dem Bundesrat in seiner Sitzung an diesem Freitag, ihre Verordnung so zu ergänzen, dass die Allgemeinheit wieder Paternoster fahren darf. „Wir haben diese Verordnung als Schnellschuss betrachtet“, sagt Wolfgang Tesch.

30.000 Euro hat die Verwaltung für die Reparatur bereitgestellt

Bei Paternostern geht zwar selten etwas kaputt, aber wenn, dann wird es teuer. 30.000 Euro hat die Verwaltung für die Reparatur bereitgestellt. „Es gibt kein Teil mehr von der Stange, alles muss in Handarbeit nachgefertigt werden“, sagt Erwin Barth von der Firma Thyssen aus Neuhausen. Die Aufzugfirma gilt bundesweit als eine der wenigen Spezialisten, die Paternoster noch warten und reparieren können.

Im Erdgeschoss des Rathauses steht der Antrieb des Paternosters, der mit 7,5 Pferdestärken die zwölf Kabinen für jeweils maximal zwei Personen in die Höhe hebt. Die Kraft wird über eine Kupplung auf ein Zahnrad übertragen, das wiederum gleichmäßig zwei große Zahnräder mit 1,40 Meter Durchmesser antreibt. Letztere bewegen zwei gewaltige, jeweils 50 Meter lange Ketten im Aufzugschacht. In ihnen sind die Kabinen eingehängt. „Wenn eines der großen Zahnräder kaputtgeht, wird es schwierig und teuer, denn dann muss man die Gussform herstellen und passende Werkzeuge auftreiben. Glücklicherweise ist das noch nie passiert“, sagt Erwin Barth.

Das Fahren im Paternoster, sagt Barth, sei sicher. Er deutet auf eine der Klappen an den oberen und unteren Schwellenrändern der Kabinen. „Wenn jemand mit dem Fuß hängen bleibt, drückt die Klappe auf einen Notschalter. Dann stoppt der Aufzug.“ Auch die Schreinerarbeiten für die Kabinenwände sind reine Handarbeit. „Die jeweils einen Meter breiten und 2,24 Meter hohen Bretter sind verleimte Tischlerplatten, Pressspan wäre nicht stabil genug. Sie werden mit dem originalen Farbüberzug der 50er Jahre versehen. Das alles ist gehobene Schreinerarbeit“, sagt Joachim Kunze von der Schreinerei Hesselwander im Bohnenviertel.

„Wenn wir rechtzeitig die Kabinenaufhängungen von der Flaschnerei bekommen und den Kabinenlauf überprüft haben, ist der Paternoster am kommenden Mittwoch wieder einsatzbereit“, sagt Erwin Barth.