Die Delegationsmitglieder Andreas Hofmann, Ersin Ugursal und Michael Scharpf beim in Kadiköy viel beachteten Besuch im Rathaus von Selamik Öztürk (von links). Foto: red

Beim Wunsch auf eine Partnerschaft nach Istanbul hofft der Bezirksbeirat auf Hilfe von höchster Stelle. Die Entscheidung über den Antrag von Christ- und Sozialdemokraten wurde auf die nächste Sitzung vertagt.

S-Mitte - Sechs Fotos dürfen als das Maß der Bedeutung gelten. Die Bilder widmete die Lokalzeitung dem Besuch einer Delegation des Bezirksbeirats bei Selami Öztürk, dem Bürgermeister des Istanbuler Stadtteils Kadiköy. Oder einfacher, wie Michael Scharpf es formuliert: „Die türkische Presse hat über das Treffen ganz groß berichtet.“ Scharpf war für die Christdemokraten mitgereist und fasste die Ergebnisse jenes Treffens in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats zusammen.

„Der gute Wille ist ungebrochen“

Die Christ- und die Sozialdemokraten haben beantragt, dass die Landeshauptstadt eine offizielle Partnerschaft zwischen dem Stadtteil Kadiköy und dem Stadtbezirk Stuttgart-Mitte anstreben möge. Die Entscheidung ist formal auf die nächste Sitzung vertagt, aber „wir werden das in zwei Wochen beschließen“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, „der gute Wille ist ungebrochen“.

Abstimmungsergebnisse vorwegzunehmen, gehört gewiss nicht zu den guten Sitten der Demokratie. In diesem Fall ist die Vorschau allerdings keine, sondern ein Rückblick. Der Bezirksbeirat hat bereits im Frühjahr eben diesen Beschluss gefasst. Er war die Grundlage für jene Delegationsreise. Den guten Willen zu bekräftigen, scheint wegen einer Entscheidung an höherer Stelle im Rathaus notwendig: Dass die Bezirksvorsteherin Kadiköy besucht, war unerwünscht. Ihr Reiseantrag wurde nicht genehmigt. Daran, dass Kienzle selbst diese Entscheidung für eine Fehlentscheidung hält, lässt sie keinen Zweifel. Aber „ich konnte ohne Zustimmung nicht mitreisen“, sagt sie.

„Großes Fragezeichen“

Die Linie der Stadt Stuttgart „ist für mich ein großes Fragezeichen“, sagt Scharpf. Er ist gewiss nicht der einzige, der rätselt, ob eine offizielle Gemeinschaft erwünscht oder unerwünscht ist. Stuttgarts Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle hat mehrfach betont, dass er eine Partnerschaft für wünschenswert hält. Gleichzeitig war er es, der Kienzles Reiseantrag ablehnte – mit der Begründung, dass bei jener Reise der Anschein des Offiziellen vermieden werden müsse (wir berichteten).

Nichts gegen eine Partnerschaft, meint Rita Krattenmacher für die Gemeinschaft von SÖS und Linken, aber „die Kosten sind mir ein Magenweh“, sagt sie, „ich vermute, der Stadt geht es genauso“. Der Satz dürfte der Wahrheit zumindest sehr nahe kommen. Eine schlüssige Antwort, so erklärt es Scharpf, „habe ich auch auf Nachfrage nicht bekommen“.

Offizielle Absichtserklärung nach Kadiköy

Ungeachtet dessen wollen die Lokalpolitiker ihre Partnerschaftspläne keinesfalls aufgeben. Ganz oben auf der Liste der Begründungen steht das einfachste Argument: Die Türken stellen die mit Abstand größte Zuwanderergruppe in Stuttgart. Die Stadt pflegt Partnerschaften bis nach Indien und Afrika, aber eben keine in die Türkei. Jener gemeinsame Antrag von CDU und SPD beinhaltet, dass eine offizielle Absichtserklärung nach Kadiköy geschickt werden soll. Außerdem möge die Stadt Bürgermeister Öztürk samt einer Delegation aus dessen Rathaus zu einem Gegenbesuch einladen.

Dabei bleibt die vertrackteste Frage nicht, wer für die Kosten der Reise aufkommen soll. Auch die Delegation aus Stuttgart hat ihren Besuch in Istanbul selbst bezahlt. Die Frage ist, wer jene Absichtserklärung samt der Einladung unterschreiben soll, wenn kein Bürgermeister. Der Bezirksbeirat hat eben keine Entscheidungsgewalt, sondern nur das Recht, den Gemeinderat zu beraten. Weshalb Kienzle gleich auf Unterstützung von höchster Stelle im Rathaus hofft. „Wir sollten darüber einmal mit Fritz Kuhn sprechen“, sagt sie, also gleich mit dem Oberbürgermeister.