Leni Breymaier soll beim Parteitag in Heilbronn zur neuen Vorsitzenden gewählt werden. Foto: dpa

Nach dem desolaten Abschneiden bei der Landtagswahl im März will die baden-württembergische SPD einen Neuanfang. Beim Parteitag soll der Vorstand komplett neu gewählt werden. Lassen die Delegierten ihre designierte Chefin Breymaier bei einer Personalie auflaufen?

Stuttgart - Für die bisherige baden-württembergische Verdi-Chefin Leni Breymaier soll es der große Tag werden. An diesem Samstag will die SPD sie beim Parteitag in Heilbronn zur neuen Vorsitzenden wählen. Die 56-Jährige tritt dann das schwere Erbe ihres Vorgängers Nils Schmid an, unter dem die SPD bei der Landtagswahl auf ein Rekordtief von 12,7 Prozent abgesackt war und viele Wähler vor allem auch an die AfD verlor. Danach war es mit der seit 2011 dauernden grün-roten Regierungszeit vorbei.

Der Samstag wird auch zeigen, ob Breymaier den ersten parteiinternen Machtkampf für sich entscheiden kann. Sie hält trotz großer Kritik an ihrem Vorschlag zur Besetzung des Amtes der Generalsekretärin fest. Die Person, bei der die Meinungen auseinandergehen, heißt Luisa Boos. Die 31-Jährige war früher Vize-Landeschefin der Jusos - und soll sich damals zu wenig von despektierlichen Äußerungen gegenüber Parteimitgliedern in einem sozialen Netzwerk distanziert haben.

Über die Angelegenheit an sich mag heute keiner mehr gerne reden, aber die Wunden sind nicht verheilt. Zweiter Knackpunkt ist die Tatsache, dass sowohl Boos als auch Breymaier selbst dem linken Parteiflügel angehören. Zuletzt wurde die SPD in Baden-Württemberg von den sogenannten Netzwerkern - überwiegend Männer - dominiert, denen es nach Meinung von Parteilinken schwerfällt, Macht abzugeben.

Das letzte Wort hat der Parteitag

Breymaier wird vorgeworfen, die internen Gräben, die die Partei eigentlich überwinden wollte, vergrößert zu haben - durch die umstrittene Personalie und die Art und Weise, wie sie diese durchzusetzen versucht. Nach Darstellung mehrerer Vorstandsmitglieder vermittelte Breymaier im September den Eindruck, dass sie und Boos nur im Doppelpack zu haben seien. Ihre Gegner warfen ihr vor, die Partei erpressen zu wollen. Später sagte Breymaier, es gebe keinen zwingenden Zusammenhang zwischen ihrer Bereitschaft, die Partei zu führen, und dem Posten für Boos. Dennoch pocht Breymaier weiter auf ihr Recht, eine Generalsekretärin ihres Vertrauens vorzuschlagen. Sie brauche im neuen Vorstand eben auch Verbündete, heißt es.

Das letzte Wort hat aber der Parteitag. Dass die Delegierten ihre Parteichefin bei der Personalie auflaufen lassen und sie somit gleich zum Start beschädigen, ist aber unwahrscheinlich. Breymaier selbst ist eigentlich beliebt und nun die Hoffnungsträgerin der daniederliegenden SPD. „Die Leute sagen: Wenn Sie Boos haben will, soll sie sie haben“, sagt ein Funktionär. Es könne nicht sein, dass sich die Partei, die doch einen Neuanfang will, deshalb zerlege. Boos selbst macht sich keine Illusionen, sondern rechnet mit einem „ehrlichen Ergebnis“ für sich selbst, wie sie der „Badischen Zeitung“ zum Wochenbeginn sagte. „Leni Breymaier bekommt sicher ein super Ergebnis. Die Delegierten werden wie immer weise entscheiden - und im Zweifel ihr Mütchen eher an der Generalsekretärin kühlen.“

Streit kann sich die SPD nun eigentlich nicht leisten, meinen mehrere führende Parteimitglieder. Sie ist schließlich nur noch die zweitstärkste Opposition im Landtag - nach der AfD. Und die nächste große Herausforderung steht bereits vor der Tür: die Bundestagswahl. Wenn Breymaier sich und Boos sicher durch den Parteitag bringt, werden die Zeiten für sie nicht viel einfacher. Bei der im Frühjahr anstehenden Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl wird ein Hauen und Stechen erwartet. 20 Abgeordnete schickte die Südwest-SPD 2013 in den Bundestag - ausschließlich über die Landesliste nach einem Zweitstimmenergebnis von 20,6 Prozent. Die Zahl von 20 Abgeordneten wird aber vermutlich 2017 nicht zu halten sein.

Strömungen in der SPD Baden-Württemberg

In der Südwest-SPD gibt es mehrere Gruppen, die in der Vergangenheit teils eigene Interessen verfolgten und die sich untereinander nicht unbedingt wohlgesonnen sind.

Die Netzwerker:

Sie hatten seit vielen Jahren die entscheidenden Positionen in der Partei und von 2011 bis 2016 auch in der grün-roten Landesregierung inne. Der Parteiflügel besteht vor allem aus jüngeren Genossen, die sich selbst als unideologisch und pragmatisch und als Mitte der Partei betrachten. Ihnen hängt der Ruf an, sich vor allem gegenseitig Posten zuschachern zu wollen. Prominente Vertreter der Netzwerker sind der scheidende Landesvorsitzende Nils Schmid, seine Vorgängerin Ute Vogt und der frühere Europaminister Peter Friedrich, wobei die Netzwerker allerdings keine homogene Gruppe bilden.

Die Linke:

Die SPD-Parteilinken führten in den vergangenen Jahren in der baden-württembergischen Landespolitik ein Schattendasein. Nach dem desolaten Abschneiden der SPD bei der Landtagswahl 2016, das die Linke vor allem den Netzwerkern zuschreibt, hofft dieser Flügel nun auf einen Machtzuwachs. Die designierte Landesvorsitzende Leni Breymaier sowie die von ihr als Generalsekretärin vorgeschlagene Luisa Boos gehören zur Parteilinken, wenngleich Breymaier keine exponierte Vertreterin ist. Deutlich sichtbarer als Parteilinke tritt etwa die langjährige Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis auf.

Die Landtagsfraktion:

Das Verhältnis zwischen der Landespartei und der Landtagsfraktion ist angespannt. Der seit langem männlich dominierten Fraktion wird vorgeworfen, ein Eigenleben zu führen. So ignorierten die Abgeordneten zu grün-roten Regierungszeiten einige Beschlüsse, die auf Landesparteitagen gefasst wurden - etwa zu der von der Landespartei angestrebten Reform des Landtagswahlrechts. Ein wortgewaltiger und selbstbewusster Fraktionschef war bis 2016 Claus Schmiedel. Sein Nachfolger Andreas Stoch tritt gemäßigter und mehr mit dem Ziel auf, einstige Gräben innerhalb der SPD zu überwinden.