Grünen-Fraktionschefin Karin Göring-Eckardt warnt: im Bundestagswahlkampf 2013 übersteuert Foto: dpa

Trotz schlechter Erfahrungen bei der Bundestagswahl 2013 debattiert die Partei wieder über Steuerfragen. Bei Themen wie der Vermögensteuer ist schon ein Konflikt zwischen Realos und dem linken Flügel entbrannt.

Berlin - Erst sprechen die Wähler, dann die Politiker. Und die haben – ganz gleich, welcher Partei sie angehören – ein besonderes Talent, Wahlniederlagen schönzureden. Umso bemerkenswerter ist die Freimütigkeit, mit der die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt im Herbst 2013 über die Niederlage der Ökopartei bei der Bundestagswahl sprach: „Wir haben total übersteuert.“ Die Flut an Abgaben- und Steuererhöhungen, die im Grünen-Programm stand, habe viele Wähler verschreckt. Nun sind sich die Grünen einig, dass sich dies bei der Bundestagswahl 2017 keinesfalls wiederholen darf. Damit jedoch endet die traute Eintracht auch schon.

Was zum Beispiel die Vermögensteuer anbelangt, ist schon ein Konflikt zwischen Realos und dem linken Flügel entbrannt. Der wird in einem 22-seitigen Entwurf für den „Leitantrag Gerechtigkeit“ offen eingeräumt, über den im November die Delegierten des Bundesparteitags in Münster beraten. Es sei „strittig“, ob es eine Millionärssteuer geben soll, die dem Fiskus zehn Milliarden Euro einbringen soll (das wäre der Parteilinken recht) oder ob die Erbschaftsteuer geändert wird – und zwar so, dass sie unter Wahrung der heutigen Freibeträge eine „ergiebige Vermögensbesteuerung“ erreicht.

Online-Befragung der Mitglieder

Aus Sicht vieler Mitglieder ist dieser Punkt aber gar nicht vordringlich. Bei einer Online-Befragung, an der knapp 13 200 der 60 000 Mitglieder teilnahmen, wurde erhoben, welche zwei von 13 Maßnahmen den Befragten besonders wichtig sind, um Gerechtigkeit zu erreichen. Eine Politik, die Steuerschlupflöcher stopft, kam auf Platz eins, gefolgt vom Wunsch nach „Investitionen in die soziale Infrastruktur wie Kitas, Schulen“. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer landete auf dem dritten Rang. Dass jedenfalls 13 200 Grüne Steuererhöhungen nicht für das allerwichtigste halten, zeigt sich auch an anderer Stelle. Auf die Frage, was sie mit Blick auf ein Plus an Gerechtigkeit den Vorzug geben, sagten 32 Prozent: „Einem Bildungssystem, das allen Kindern gute Chancen ermöglicht.“ Darauf folgen die „Gesellschaft, die allen faire Chancen gibt und niemanden ausgrenzt“ und dann die „gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen“.

Auf dem vorletzten Platz rangierte übrigens die „Reform des Ehegattensplittings.“ Genau die findet sich aber ausführlich im Entwurf. Heute bilde das Steuersystem ein Hindernis dafür, „dass Frauen sich eine eigenständige Existenzsicherung aufbauen und sich beruflich so verwirklichen können, wie es sie wünschen.“ Das Splitting müsse daher durch eine individuelle Besteuerung ersetzt werden.

Viele teure Forderungen

Beim Parteitag in Münster dürften nicht nur Für und Wider einer Vermögensteuer und das Ehegattensplitting für muntere Debatten sorgen. Immerhin dreht der Entwurf für den „Gerechtigkeitsantrag“ ein ganz großes Rad, das manchen Delegierten an ein Wolkenkuckucksheim erinnern mag. So ist im Antragsentwurf die Rede von einem Ganztagsschulprogramm (Kosten: 10 Milliarden Euro), einer Bafög-Erhöhung, einer Garantierente und einem Programm gegen Kinderarmut, einem Schulsanierungsprogramm (Kosten: 10 Milliarden Euro) und dem Ziel, in zehn Jahren eine Million „dauerhaft günstige“ Wohnungen zu bauen.

Auch sollen die Zuzahlungen auf Medikamente und die Abgeltungssteuer abgeschafft, die Sanktionen bei Hartz IV ausgesetzt und in der Kranken-, Pflege- und Rentenkasse eine Bürgerversicherung errichtet werden, bei der Beiträge dann nicht nur von Lohn und Gehalt, sondern auch auf Aktiengewinne und Kapitalerträge zu entrichten sind. Bei der Einkommensteuer, so heißt es in dem Papier, stehe 2017 eine Erhöhung des Grundfreibetrags an: „Zur aufkommensneutralen Gegenfinanzierung schlagen wir eine stärkere Differenzierung und Erhöhung des Spitzensteuersatzes im Sinne einer höheren Reichensteuer vor, welche allerdings erst oberhalb eines zu versteuernden Single-Einkommens von 100 000 Euro einsetzen soll.“