Pornografie soll nach Willen der Jusos Berlin staatlich gefördert werden – solange sie feministisch ist. Foto: dpa

Mit einem Antrag, feministische Sexfilme vom Staat finanzieren zu lassen, haben die Jusos in Berlin bei Teilen der SPD Kopfschütteln ausgelöst. Der Autorin des Dokuments ist es mit der Idee aber sehr ernst: Sie sieht darin ein vielversprechendes Werkzeug gegen Sexismus.

Berlin - Vater Staat als Pornoproduzent – was auf den ersten Blick wie ein Scherz aussieht, damit meinen es die Jusos in Berlin bierernst: In einem Antrag, über den am Samstag auf dem Landesparteitag der SPD befunden wird, fordert die Jugendorganisation der Sozialdemokraten, feministische Sexfilme zu Bildungszwecken mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren und diese beispielsweise in den Online-Mediatheken von ARD und ZDF zu hinterlegen. Und zwar, um dem Sexismus die Stirn zu bieten.

Denn „Mainstream-Pornos“, sagt Ferike Thom, Vorsitzende der Jusos im Berliner Bezirk Pankow und Autorin des Antrags, würden faktisch einen großen Anteil an der Sexualaufklärung von Jugendlichen übernehmen, dabei aber mit ihren unreflektierten Inhalten denkwürdige Vorstellungen von Sexualität transportieren: „Diese Pornos zeigen in der Regel sexistische und rassistische Stereotype“, sagt Thom.

Ein weiteres Problem: „Konsens bei sexuellen Handlungen wird dort überhaupt nicht thematisiert“ – jener fehlende Konsens, der auch in der Wirklichkeit häufig auf allen gesellschaftlichen Ebenen ignoriert wird, wie die aktuelle Sexismus-Debatte beleuchtet. Ein Großteil der im Internet verfügbaren Pornofilme stelle Frauen als Objekte dar – Sex auf Augenhöhe: Fehlanzeige.

Die SPD ist zwiegespalten

Dass es auch anders geht, zeigten sogenannte feministische Pornos. Sexfilme sollen raus aus der Schmuddelecke, war auch der Anspruch Pornfilmfestivals im Oktober in Berlin, das beweisen wollte, dass Pornografie auch politisch und sogar künstlerisch wertvoll sein kann. Die weibliche Lust wurde in vielen der gezeigten Filme besonders betont. „In feministischen Pornos fragt auch mal jemand, ob dies oder jenes okay für den anderen ist“, erklärt Thom. In keinem Fall nimmt sich der Mann einfach, was er will.

In der SPD gehen die Meinungen zu staatlich finanzierter Pornografie weit auseinander: Neben Befürwortern, deren Zahl Ferike Thom etwa auf die Hälfte schätzt, ließ auch negatives Echo nicht lange auf sich warten. „Das ist keine öffentliche Aufgabe. Die kann nicht aus dem Rundfunkbeitrag bezahlt werden“, sagte Frank Zimmermann (SPD), Mitglied des Berliner Rundfunkrats der „Bild“-Zeitung. Frei nach dem Motto: „Haha, Porno!“

Dem Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi würde da vermutlich das Lachen im Halse stecken bleiben. Auf seinem letzten Marsch für Kinderrechte durch Indien im Oktober prangerte er besonders sexuelle Gewalt gegenüber minderjährigen Frauen an. Eine der Hauptursachen dafür sehe er in flächendeckenden Verfügbarkeit von Internetpornografie gepaart mit fehlender sexueller Aufklärung, sagte er gegenüber unserer Zeitung: „Durch dieses Unwissen fehlt vielen jungen Männern die Fähigkeit, gesehene pornografische Inhalte einzuordnen.“

Staatspornos in Schweden schon seit 2009

Eine Einschätzung, mit der Satyarthi nicht alleine ist. Auch Wissenschaftler beobachten Probleme im Zusammenhang mit Pornografie und jungen Männern. Thorsten Quandt vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster sagt, „dass Kinder und Jugendliche auch in Deutschland mit etwas konfrontiert werden, was sie noch nicht richtig verstehen.“ Da die Mediennutzung oft heimlich passiere, müssten Kinder und Jugendliche mit der Verarbeitung dieser Inhalte häufig allein zurechtkommen.

Aus Sicht der Jusos viel weiter ist da Schweden. Mit den „Dirty Diaries“, übersetzt: „Schmutzige Tagebücher“ hat das staatliche Filminstitut eine frei zugängliche, feministische Pornosammlung bereits 2009 mit 50 000 Euro gefördert – ein Modell, dass dem Antrag des Jusos Pate stand. Und selbst wenn der Antrag auf dem Parteitag abgelehnt wird, gibt es ja immer noch feministische Pornofestivals.