Susanne Hennig-Wellsow (links) und Janine Wissler sind die neuen Bundesvorsitzenden der Linkspartei. Foto: dpa/Frank May

Die Thüringerin Susanne Hennig-Wellsow und die Hessin Janine Wissler führen nun gemeinsam die Linke. Sie haben ganz unterschiedliche Politikansätze. Kann das funktionieren? Eine Analyse.

Berlin - Erstmals wird eine im Bundestag vertretene Partei von zwei Frauen geführt. Die Linkspartei hat auf ihrem digitalen Bundesparteitag am Samstag Janine Wissler mit 84,2 Prozent der Stimmen, und Susanne Hennig-Wellsow mit 70,5 Prozent der Stimmen zu neuen Vorsitzenden gewählt. Kann dieses Duo funktionieren? Wie ticken die beiden - und können sie zusammenarbeiten? Eine Analyse.

Welche Funktionen hatten die beiden bisher?

Die 39-jährige Janine Wissler ist die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag. Die studierte Diplom-Politologin ist seit 2008 im Landtag und hat dort den Vorsitz im Wirtschaftsausschuss inne. Seit 2014 ist sie auch stellvertretende Bundesvorsitzenden der Linkspartei.

Die 43-jährige Diplom-Pädagogin Susanne Hennig-Wellsow hat die gleicher Funktion wie Wissler, also den Fraktionsvorsitz, im thüringischen Landtag inne. Dort stellt die Linke mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten. Sie ist auch Landesvorsitzende der Linken in Thüringen.

Ihre größten Stärken

Wissler wird allseits große rhetorische Begabung bescheinigt. Ihre Reden im hessischen Landtag gehören auch in den Augen ihrer politischen Gegner zu den Höhepunkten der Parlamentsdebatten. Überhaupt ist es erstaunlich, dass sich Wissler auch bei der politischen Konkurrenz gewisser Wertschätzung erfreut. Auch CDU-Abgeordnete bescheinigen ihr Zuverlässigkeit und ein kollegiales Auftreten.

Hennig-Wellsow ist Vorsitzende einer regierungstragenden Fraktion. Das bedeutet, dass sie im parlamentarischen Alltag Mehrheiten sichern und Kompromisse mit den Koalitionspartnern aushandeln muss. Das gelingt ihr gut. Sie gilt als geschickte und kompromissfähige Verhandlerin. In der Fraktion wird ihr Fleiß und Disziplin bescheinigt.

Ihre größten Angriffspunkte

Wissler kommt innerparteilich vom linken Rand der Linkspartei. Sie gehörte zum Unterstützerkreis der innerparteilichen trotzkistischen Plattform Marx 21, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Ausgetreten ist sie nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern weil sie die Mitgliedschaft in einer Parteiströmung nicht mit der Kandidatur für den Vorsitz vereinbar hielt. Marx 21 kennzeichnet eine Ablehnung von Regierungsbeteiligungen und eine gewisse Abwertung des Parlamentarismus zugunsten außerparlamentarischer Bewegungen.

Hennig-Wellsow hat ihre politische Arbeit, ob in der Fraktion oder in der Landespartei, ganz in den Dienst der Unterstützung des einzigen linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow gestellt. Öffentlich erscheint sie deshalb mitunter als reine Technikerin der Macht. Parteifreunde fragen sich gelegentlich, wo eigentlich die linken Positionen „pur“ bleiben.

Die Gretchenfrage: Regierungsbeteiligung

Es ist bezeichnend, dass Janine Wissler in ihrer Rede auf dem Bundesparteitag über das Thema eines möglichen Eintritts in eine rot-rot-grüne Bundesregierung nach den Bundestagswahlen nichts sagte. Ganz sicher, steht sie einer solchen Option kritischer als Hennig-Wellsow gegenüber. Aber dogmatisch ist sie in dieser Frage keineswegs. Sie hatte in Hessen nach der vorletzten Landtagswahl Sondierungsgespräche für ein rot-rot-grünes Bündnis geführt und von einem „sehr großen Polster an Gemeinsamkeiten“ gesprochen.

Hennig-Welsow ist da ganz unzweideutig. Sie will regieren. Ihre Bewerbungsrede auf dem Bundesparteitag begann sie mit dem programmatischen Satz „Ich will etwas verändern“. Ihr Appell lautete: „Lasst uns nicht mehr warten!“ Das ist in der Partei sehr umstritten, was auch ihr schlechteres Wahlergebnis erklärt. Interessanterweise gab es mit Reimar Pflanz einen Kandidaten, der ganz auf einen Ablehnungskurs in Sachen Regierungsbeteiligung setzte und damit 19,4 Prozent der Stimmen einfuhr.

Die größten Unterschiede

Es ist eindeutig, dass Wissler, die zum Beispiel auch Mitglied bei „attac“ ist, die Linke als parlamentarischen Arm gesellschaftlicher Bewegungen sieht, dazu zählen etwa auch die Klima-Aktivisten von „Friday for future“. Dagegen setzt die Ostdeutsche auf gesellschaftliche Reformen durch gesetzgeberische Arbeit in Parlamenten.

Sind die beiden teamfähig?

Alles spricht dafür. Selbst die CDU im hessischen Landtag findet lobende Worte über die pragmatische Zusammenarbeit in der konkreten parlamentarischen Arbeit. Wissler gilt als verbindlich und lösungsorientiert in Verhandlungen. Hennig-Wellsow hat das Handwerk des Kompromisse-Schmiedens im thüringischen Parlamentsalltag ohnehin gründlich gelernt.

Wie sind sie privat?

Wissler ist ledig und hat nach ihrem Diplomabschluss in Politik jahrelang als teilzeitangestellte Verkäuferin in einem Baumarkt gearbeitet. Sie ist Mitglied des Eintracht-Frankfurt-Fanclubs im hessischen Landtag. Hennig-Wellsow ist verheiratet und hat ein Kind. Sie war von 1984 bis 1999 Leistungssportlerin im Eisschnelllauf.