Die Blicke der neuen AfD-Spitze Alexander Gauland (links) und Jörg Meuthen gehen in unterschiedliche Richtungen, doch der Weg der Partei führt weiter nach rechts. Foto: dpa

Die AfD verpasst auf ihrem Parteitag die Chance, sich als Einheit zu präsentieren. Stattdessen ist sie tief gespalten und rückt mit ihrem neuen Vorsitzendenduo Gauland/Meuthen nach rechts, meint unsere Redakteurin Katja Bauer.

Hannover - Was für ein Bild: Mitten in einem zermürbenden Machtkampf steht ein Delegierter auf und beschreibt die Situation. Der Partei gelinge es nicht, sich auf einen Vizechef zu einigen, sagt er. Dann solle man es einfach lassen. Die Satzung der AfD sieht diese Variante zwar nicht vor, weshalb der Vorschlag scheitert, aber es ist der Moment der Wahrheit im Kongresszentrum von Hannover. So sieht eine gespaltene Partei aus.

Zu diesem Zeitpunkt stand ein Wahlergebnis für das Amt des zweiten Parteivorsitzenden auf der Leinwand, das für beide Kandidaten nicht reichte – weder für Georg Pazderski, den Vertreter der als realpolitisch geltenden Strömung, noch für seine Überraschungsgegnerin Doris von Sayn-Wittgenstein, eine Anhängerin des stramm rechten Flügels um den Thüringer Björn Höcke. Indem beide zurückzogen, um den Weg für den 76 Jahre alten Alexander Gauland frei zu machen, war der abermalige Rechtsruck der AfD besiegelt.

Das Lager um Björn Höcke kann sich über den Rechtsruck freuen

Den Erfolg verbucht das Lager um Höcke. Er selbst, gegen den immer noch ein Parteiausschlussverfahren läuft, trat wohlweislich für kein Spitzenamt an, weil er nicht mit einer Mehrheit rechnen konnte. Aber erreicht wurde das Ziel, Pazderski zu verhindern. Mit ihm wäre jemand an die Parteispitze gelangt, der für eine konstruktivere Strategie eintritt, um die Partei koalitionsfähig zu machen, und dafür zum äußersten rechten Rand eine Grenze zieht.

In beiden Punkten unterscheidet er sich von Alexander Gauland, einem Unterstützer Höckes. Auch der alte und neue Parteichef Jörg Meuthen, der bald in Brüssel weilt und ein schwaches Wahlergebnis erzielte, hat sich wiederholt als Mann gezeigt, der nach ganz rechts offen ist.

Nationalistische Töne haben eine Heimat in der AfD

So gehen vom Parteitag in Hannover klare Signale aus. Zum einen hat die Basis gezeigt, dass sie bereit ist, sich von einer einzigen emotionalen, ultranationalistischen Rede der in der Partei relativ neuen Überraschungskandidatin Sayn-Wittgenstein in einen Machtkampf hineintragen zu lassen. Deren Worte brachten eine Haltung zum Schwingen, die in der AfD mehrheitsfähiger ist als die kühle, konservative Rationalität eines Georg Pazderski.

Zum Zweiten muss die AfD eine ernüchternde Bilanz ziehen: Sie hat in den vier Jahren, in denen sie Bestandteil der politischen Landschaft ist, neben Erfolgen und Misserfolgen wenige Formen des Machtkampfs und Tabubruchs ausgelassen. Sie hat eine Spaltung hinter sich, und es gibt praktisch keine Landtagsfraktion, aus der nicht jemand ausgetreten oder ausgeschlossen worden wäre. All das sind – auch – typische Nebenwirkungen für eine junge Partei in der Entwicklung.

Die AfD liefert alles, was die den anderen Parteien vorwirft

Im Falle der AfD haben sie unterm Strich den Aufstieg nicht behindert. Aber nun, zum Zeitpunkt ihres objektiv größten Erfolges – dem ersehnten Einzug in den Bundestag als drittstärkste Partei – gelingt es ihr nicht, aus dieser Entwicklung Schubkraft zu entwickeln. Im Gegenteil: Die Partei hätte allen Grund, sich auf die Frage zu konzentrieren, wie es gelingen kann, aus dem zugespitzten Wahlkampf in der Wirklichkeit der politischen Oppositionsarbeit anzukommen.

Stattdessen ist das Erste, was passiert, der Abgang einer Parteichefin, die lange als Schuldige für jedwede Spaltung ausgemacht worden war. Jetzt zeigt sich, dass es daran allein nicht gelegen haben kann. Binnen zwei Monaten gelang es nicht, den Prozess einer Nachfolge transparent mit einem oder mehreren Kandidaten zu organisieren. Die Partei lieferte stattdessen alles, was sie an den anderen, den von ihr so bezeichneten „Altparteien“ kritisiert: Geheimtreffen, Machtkämpfe, Kungelrunden in Hinterzimmern. Das Ergebnis bildet keine gemeinsame Klammer für die unterschiedlichen Strömungen der Partei. Aus dem rechnerischen Patt von Hannover sind offene Rechnungen geworden.