Die Desiderius-Erasmus-Stiftung rechnet mit einem üppigen Zuschuss aus dem Staatshaushalt. Ein Bündnis will das verhindern.
Stuttgart - Es geht um eine Menge Geld. Sollte die AfD im September erwartungsgemäß erneut in den Bundestag einziehen, kann die ihr nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung erstmals mit einem Zuschuss aus dem Staatshaushalt rechnen. Sie gehe von rund 50 Millionen Euro im Verlauf der kommenden Legislaturperiode aus, teilte die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach kürzlich in Berlin mit.
Dagegen aber formiert sich zunehmend Widerstand. 13 Nicht-Regierungsorganisationen – darunter der Zentralrat der Juden, der Deutsche Gewerkschaftsbund, Pro Asyl und Fridays for Future – haben sich auf Initiative der Bildungsstätte Anne Frank zusammengetan, um die beträchtliche Finanzspritze zu verhindern. „Die Erasmus-Stiftung ist eine Netzwerk-Organisation der Neuen Rechten“, heißt es in einem Protestpapier: „Ihre Aktivitäten zielen darauf ab, das demokratische Fundament unserer politischen Ordnung zu zerstören.“ Man fordere daher die künftige Regierung auf, die finanzielle Förderung politischer Stiftungen gesetzlich zu regeln und an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu koppeln.
Steinbach weist Vorwürfe zurück
Erika Steinbach hält diese Anschuldigungen für haltlos. Der Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit sei unverfroren und fuße auf keinerlei Belegen. „Wir wollen die kulturelle Identität unseres Landes mit seinen wertkonservativen Wurzeln in geistiger Offenheit an die nächsten Generationen weiterreichen“, schrieb die 78-Jährige in einem offenen Brief. Einem möglichen Gesetz sehe sie daher mit großer Gelassenheit entgegen. „Ich hätte null Angst“, sagte Steinbach Anfang Juli auf einer Pressekonferenz.
Dass der Erasmus-Stiftung tatsächlich eine verfassungsfeindliche Haltung nachgewiesen werden kann, halten Experten für durchaus möglich – aber keineswegs ausgemacht. „Auch wenn die Stiftung eng mit der AfD verbunden ist, darf man sie nicht mit der Partei gleichsetzen“, sagt der Staatsrechtler Claus Dieter Classen von der Universität Greifswald. Demokratiefeindliche Äußerungen von AfD-Vertretern könne man deshalb nicht per se der Stiftung anlasten: „Da muss man sich schon auf Vorträge oder Publikationen beziehen, die direkt von der Organisation gefördert werden.“ Hier ist die Erasmus-Stiftung bislang noch nicht regelmäßig in Erscheinung getreten. Der Blick auf die personelle Aufstellung aber zeigt zumindest, dass mit dem sächsischen Landtagsabgeordneten Sebastian Wippel und dem Mecklenburger Kommunalpolitiker Thore Stein zwei AfD-Mitglieder aus dem völkisch-nationalen Parteilager dem Stiftungsvorstand angehören.
Kommt jetzt eine gesetzliche Regelung?
Die Debatte um die finanzielle Förderung der AfD-nahen Stiftung könnte auch Bewegung in die Frage nach einem Stiftungsgesetz bringen. Bislang nämlich erfolgt die Vergabe der Gelder durch eine eher informelle Praxis, die auf einem Urteil aus dem Jahr 1986 fußt. Damals befand das Bundesverfassungsgericht, dass „alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen“ bei der Förderung politischer Stiftungen zu berücksichtigen seien.
Was als eine solche Strömung gilt, präzisierten die Stiftungen zwölf Jahre später selbst in einer gemeinsamen Erklärung: Sollte die der Stiftung nahestehende Partei wiederholt in den Bundestag einziehen, bestehe ein Anspruch auf finanzielle Förderung. Genau das wäre nach den Wahlen im kommenden September bei der AfD der Fall, die bei der vorangegangenen Bundestagswahl 2017 erstmals den Sprung ins Parlament geschafft hatte.
Zuletzt stetig steigende Zuschüsse aus dem Staatshaushalt
Claus Dieter Classen vermutet, dass dieser anstehende Zuschuss an die Erasmus-Stiftung ein Umdenken bewirken könnte. „Die Parteien hatten bislang kein großes Interesse daran, die Stiftungsförderung stärker zu regeln als unbedingt nötig“, sagt der Verfassungsrechtler mit Blick auf die zuletzt stetig steigenden Summen, welche der Bundestag den parteinahen Stiftungen aus dem jährlichen Haushalt zusprach. Unter anderem war die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Britta Haßelmann, mit ihren Plädoyers für ein Stiftungsgesetz in der Vergangenheit auf wenig Gehör gestoßen.
„Mittlerweile aber ist die Situation eine andere“, betont Classen, „durch die AfD-Thematik schlagen zwei Herzen in der Brust der anderen Parteien.“ Das sieht auch der Verfassungsrechtler Alexander Thiele von der Universität Göttingen so: „Ich gehe davon aus, dass der Wille für ein Gesetz nunmehr vorhanden ist.“ Es bestehe ein großer politischer Konsens, die AfD-nahe Stiftung von einer staatlichen Finanzierung auszuschließen.
Theoretisch wäre auch eine andere Lösung möglich: Da die Zuschüsse durch das Parlament bewilligt werden, könnten die Fraktionen per Mehrheitsbeschluss die Erasmus-Stiftung von der Förderung ausschließen. Das aber hätte ziemlich sicher eine Klage der AfD zur Folge, vermutet Thiele: „Und die könnte durchaus Aussicht auf Erfolg haben.“ Spätestens nach der Wahl also dürfte die Debatte weiter an Fahrt aufnehmen.