Der Personenkult um Xi Jinping nimmt bedrohliche Ausmaße an. Kritik erlaubt sich aber niemand. Foto: dpa/Xie Huanchi

Schon vor dem Parteikongress steht Xi Jinpings Wiederwahl fest. Er bestimmt nahezu allein den Kurs Chinas der nächsten Jahre.

Noch ehe der 20. Parteikongress am Sonntag beginnt, steht dessen Ausgang im Grunde fest: Xi Jinping wird nach zwei Amtszeiten weitere fünf Jahre an Chinas Spitze stehen. Alles andere wäre eine regelrechte Sensation. Das belegt allein schon der Personenkult um den 69-Jährigen, der nordkoreanische Ausmaße angenommen hat: In der Staatspropaganda lässt sich nicht im Entferntesten erkennen, welcher Politiker ein potenzieller Nachfolger für Xi sein könnte.

„Ganz egal, wie der Parteikongress ausgeht, ich bin mir sicher, dass Xi Jinping die einzige richtungweisende Stimme für den politischen Kurs bleibt“, sagt auch China-Experte Christopher K. Johnson, der seit über drei Jahrzehnten die Politik des Landes beobachtet und jahrelang als Analyst der CIA gearbeitet hat: „Seit Xi Jinping an der Macht ist, hat er stets eine Atmosphäre der Dringlichkeit, ja sogar der Krise hergestellt, um seine Macht zu rechtfertigen.“

Die Spitze der KP ist fest in männlicher Hand

Dennoch gilt es, bei der sechstägigen Veranstaltung in der Großen Halle des Volkes genauer hinzuschauen. Wenn Chinas Parteiführung am 22. Oktober ihr neues Zentralkomitee bestimmt, kann es durchaus sein, dass Xi gewisse Konzessionen eingehen wird müssen – etwa, wenn der Premierminister, der sich traditionsgemäß um die Ausgestaltung der Wirtschaft kümmert, von einem Pragmatiker statt dogmatischen Ideologen besetzt wird. Eben jemandem, wie er in der Tradition des amtierenden – aber wohl scheidenden – Premiers Li Keqiang steht.

„Gendern“ ist bei einem Text über die Polit-Führung der Volksrepublik im Übrigen unnötig: Auch wenn über ein Viertel der Parteitagsdelegierten Frauen sind, ist die Spitze der KP traditionell in männlicher Hand.

Die nächsten Tage entscheiden über den Kurs des Landes

Was diese in den nächsten Tagen entscheidet, bestimmt maßgeblich den Kurs des Landes der nächsten Jahre – und damit indirekt auch die internationale Politik. Die Volksrepublik China steht derzeit vor gewaltigen Herausforderungen: Noch immer hat die Regierung keine Exit-Strategie für ihre wirtschaftlich desaströse „Null Covid“-Politik in Aussicht gestellt, die Immobilienkrise ist längst noch nicht ausgelotet, und am Horizont wartet bereits der demografische Wandel, der unweigerlich den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes drosseln, möglicherweise gar zum Stillstand bringen wird.

Dass der 20. Parteikongress nun als historische Zäsur in die chinesische Geschichte eingehen wird, hat vor allem mit Xis dritten Amtsperiode zu tun. Nachdem Staatsgründer Mao Tse-tung die Volksrepublik gegen Ende seines Lebens in ein tiefes Chaos gestürzt hatte, entschied die Parteiführung unter Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping Anfang der 80er Jahre, dass sich die Geschichte nicht mehr wiederholen dürfe. Man führte eine Amtszeitbegrenzung auf zweimal fünf Jahre ein, die nun erstmals von Xi durchbrochen wird.

Womöglich gedenkt Xi, bis zu seinem Lebensende zu regieren

Dass der 69-Jährige möglicherweise sogar bis an sein Lebensende zu regieren gedenkt, kann zumindest nicht ausgeschlossen werden. Doch Fakt ist: Innerhalb der ersten Jahre seiner Amtszeit hat Xi Jinping in atemberaubender Geschwindigkeit seine Macht konsolidiert – auch mithilfe einer beispiellosen Anti-Korruptions-Kampagne, die über 100 000 Funktionäre hinter Gitter brachte.

Des Weiteren hat Xi seine eigene ideologische Lehre etabliert, welche auch an den Schulen unterrichtet wird. Wie seit Jahrzehnten nicht mehr wird das Staatsoberhaupt zudem in den Propagandamedien als alleinherrschender Alleswisser präsentiert, von dessen Genialität das Wohl des Landes abhängt.

Doch dieser Persönlichkeitskult birgt immense Risiken für das Reich der Mitte, in dem immer mehr das Wort eines einzigen Mannes gilt. Beim sturen Festhalten an der „Null Covid“-Strategie lässt sich dies ganz deutlich beobachten, ebenso bei den dogmatischen Wirtschaftsmaßnahmen, die politische Kontrolle über Wachstum setzen. Nicht zuletzt droht Xi aktuell mit seiner engen Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nach den USA nun auch noch Europa als Partner zu verprellen.

Möglichkeiten zur Kritik sind zum Tabu geworden

Doch Möglichkeiten zur Kritik und Kurskorrektur sind in dem zunehmend repressiven Klima in der Öffentlichkeit vollends zum Tabu geworden. Selbst hinter verschlossenen Türen – darauf deuten alle Indikatoren hin – gibt es keine wirkliche Pluralität der Meinungen mehr. Nur alle paar Monate meldet sich an den Seitenlinien ein Akademiker zu Wort, der vor zu viel Nationalismus oder Dogmatismus warnt.

Ein weiteres Novum des 20. Parteikongresses hat ebenfalls mit den Machtstrukturen zu tun. Es ist das erste Mal seit Langem, dass Xi Jinping im Gegensatz zu früheren Generationen nicht von den sogenannten „elder statesmen“ im Zaum gehalten wird. Die alten Garden sind entweder tot oder ihres politischen Einflusses beraubt. Wie es ausschaut, ist der Platz neben Xi immer enger bemessen.