Wer bleibt, wer geht, wer kommt? Die Landes-CDU muss demnächst entscheiden, mit wem sie auf Bundesebene in der Partei mitmischen will. Tanja Gönner, Vorstand GIZ, noch Mitglied CDU-Bundesvorstand. Foto: dapd

Kanzlerin braucht Südwest-CDU und umgekehrt, aber personeller Umbruch droht Problem zu werden.

Stuttgart - Sommerzeit ist Wanderzeit. Wenn im Landtag die Sitzungssäle verwaist sind, ziehen Politiker gern übers Land. Die Südwest-CDU praktiziert das seit gefühlten Lichtjahren. Landtagsfraktionschef Peter Hauk ist – abgesehen von einem kurzen Urlaub – seit Wochen an der Basis unterwegs, Parteichef Thomas Strobl startet kommenden Montag auf seine Sommertour. „Ich freue mich auf viele interessante Begegnungen“, sagt er. In den eineinhalb Jahren seit der verlorenen Landtagswahl waren Hauk und Strobl vor allem bemüht, im eigenen Lager Scherben zusammenzukehren, Wunden zu pflegen und nebenbei Grün-Rot zu piesacken. An den blendenden Umfragewerten von Ministerpräsident Kretschmann konnten sie freilich nicht viel ändern. Nun aber, bald ein Jahr vor der Bundestagswahl, steht die Südwest-CDU vor einer neuen, ganz anderen Herausforderung: Wie soll das einstige Pfund Baden-Württemberg auf Bundesebene wieder an Gewicht gewinnen?

In der Parteizentrale in Berlin sieht man „mit Sorge die Entwicklung im Südwesten“, wie es einer umschreibt. Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel braucht, wenn sie 2013 ihre Position halten will, die Unterstützung aus Baden-Württemberg. Immerhin ist die baden-württembergische CDU auf dem Papier nach Nordrhein-Westfalen weiterhin der stärkste Landesverband. Zur Erinnerung: Bei der Bundestagswahl 2009 kamen von den 11,8 Millionen Zweitstimmen für Merkel knapp acht Millionen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Doch der Stern des Südens hat nach dem Desaster um den ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus an Strahlkraft verloren, daran können auch die 39 Prozent bei der Landtagswahl nicht viel ändern. „Ich fürchte, dass unsere Rolle in der Bundespartei nach allem, was passiert ist, nicht gerade stärker geworden ist“, sagt ein führendes Mitglied der Südwest-CDU.

Manche sagen, die Bundesbildungsministerin mit Wahlkreis Ulm sei amtsmüde

In der Tat ist die Ausgangslage heikel. Die bisherige stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Annette Schavan hat sich noch nicht geäußert, ob sie beim Bundesparteitag im Dezember in Hannover erneut für das Amt kandidieren will. „Sie sondiert gerade die Lage“, heißt es aus ihrem Umfeld. Manche sagen, die Bundesbildungsministerin mit Wahlkreis Ulm sei amtsmüde, andere behaupten das Gegenteil. Richtig ist, dass sie in den vergangenen Monaten parteiintern oft Gegenwind erzeugt hat – zum Beispiel mit ihren Vorstellungen zur Zukunft der Hauptschule oder mit dem Wirbel um ihre Doktorarbeit. Als sicher gilt, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Offenburg) – obwohl bald 70 – seinen Platz im Präsidium der Bundespartei nicht räumen wird, was viele zwar nicht verstehen, aber niemand offen anzusprechen wagt. „An Schäuble kommt keiner vorbei“, meint ein CDU-Newcomer ernüchtert. Womit auch klar ist: Landesparteichef Strobl, der den Posten im Präsidium zur Stabilisierung der Südwest-CDU brauchen könnte, kann in der Bundespartei nicht aufsteigen. Wer riskiert schon die Machtprobe mit seinem Schwiegervater. Volker Kauder (Tuttlingen) als Bundestagsfraktionschef und enger Vertrauter Merkels ist im Parteipräsidium ohnehin gesetzt.

Da verwundert es nicht, dass mancher ein Dilemma für die Landespartei fürchtet. „Wir können unseren Anspruch, auf Bundesebene mitmischen zu wollen, nur untermauern, wenn wir das Personal dafür haben“, sagt ein altgedienter Parteimann und räumt sogleich ein: „Aber solche Leute fehlen uns derzeit.“ Das beginnt bei der Position Schavans. Sollte sie ihren Posten räumen, wird erwartet, dass sich Rheinland-Pfalz den prestigeträchtigen Posten angelt und mit der Oppositionsführerin Julia Klöckner besetzen will. Die 39-Jährige genießt hohes Ansehen und hat Kurt Beck, den SPD-Regierungschef im Nachbarland, zuletzt schwer in Bedrängnis gebracht. Mögliche Kandidaten aus Baden-Württemberg für einen der vier Stellvertreter Merkels scheinen jedenfalls Mangelware. Allenfalls Annette Widmann-Mauz – Landeschefin der Frauen-Union, Bundestagsabgeordnete aus Tübingen und Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium – wird genannt. Ihr Manko: Sie ist zwar stellvertretende CDU-Landesvorsitzende, tritt hierzulande aber nur selten in Erscheinung. Könnte sie die Landespartei dann auf Bundesebene stark vertreten? Zweifel bleiben.

Tanja Gönner hat der Landespolitik nach vielen Enttäuschungen den Rücken gekehrt

Auch in der erweiterten Parteiführung – dem CDU-Bundesvorstand – droht Baden-Württemberg an Boden zu verlieren. Als man noch in der Regierung war, konnte sich die Südwest-CDU dort drei Sitze sichern – in Person von Strobl, dem Karlsruher Bundestagsabgeordnetem Axel Fischer sowie Ex-Ministerin Tanja Gönner. Ob das auch gelingt, wo man nun in Stuttgart in der Opposition sitzt? Als sicher gilt, dass Strobl diesen Posten behalten darf, alles andere würde die Südwest-CDU zusätzlich schwächen. Aber was wird aus Tanja Gönner? Die 43-Jährige hat der Landespolitik nach vielen Enttäuschungen den Rücken gekehrt und ist nun Chefin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Bonn. „Der Job macht ihr Spaß“, sagt ein Weggefährte. Gönner selbst will sich derzeit zu ihren politischen Ambitionen in der Bundespartei nicht äußern. Freunde aber berichten, alles deute darauf hin, dass Gönner nicht mehr für den Parteiposten antreten werde, um in ihrer neuen Funktion neutral zu sein.

Schavan weg? Gönner weg? Mappus weg. Wer könnte stattdessen für die Südwest-CDU auf Bundesebene das Wort erheben? Manch einer fordert, Landtagsfraktionschef Peter Hauk müsse die Bewerbung auf dem Bundesparteitag wagen. Andere nennen den Namen von Landtagspräsident Guido Wolf. Oder hätte die Partei den Mut, einen der drei jungen Bezirksvorsitzenden – Steffen Bilger (Nordwürttemberg), Andreas Jung (Südbaden) und Thomas Bareiß (Württemberg-Hohenzollern) – ins Rennen um die Plätze im Merkel-Zirkel zu schicken? „Jetzt rächt sich, dass die alte Parteiführung junge Leute bei uns kaum hat hochkommen lassen“, sagt ein CDU-Funktionär. Und eine andere aus dem Landesvorstand ergänzt, nun falle es „der Partei vor die Füße, dass wir jahrelang keine Frauenförderung betrieben haben“.

So wachsen die Sorgen, dass es Baden-Württemberg ähnlich ergehen könnte wie einst der CDU in Rheinland-Pfalz. Sie wurde nach dem Verlust der Regierungsmacht in der Parteiarithmetik über Jahre hinweg nach hinten durchgereicht. Aber so weit wird es Landesparteichef Strobl nicht kommen lassen wollen. Er hat für Ende August alle Führungsköpfe der Landespartei nach Berlin zur vertraulichen Klausur eingeladen. Es geht um die Strategie für die nächsten Monate. Wie gut, dass zum Programm auch ein Termin bei der Kanzlerin gehört.