Simone Peter und Cem Özdemir wollen nicht mehr als Parteivorsitzende kandidieren. Foto: dpa

Der noch amtierende Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bekommt viel Lob aus dem Südwesten und zudem einen Rat von Boris Palmer.

Stuttgart - Bedauern, aber auch Zuversicht: Mit dieser Mischung haben führende Grünen-Politiker aus dem Land den Entschluss ihres scheidenden Bundesvorsitzenden Cem Özdemir kommentiert, seine Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag zu begraben. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte unserer Zeitung, Özdemir wäre sicher ein guter Fraktionschef gewesen. „Er hat einen Topjob gemacht als Bundesvorsitzender und als Spitzenkandidat der Grünen. Und er hat die Grünen souverän durch die Sondierung geführt.“ Aber seine Entscheidung sei kein Abschied aus der Politik. Kretschmann: „Cem ist einer der Besten bei den Grünen. Und Qualität setzt sich immer durch, das ist meine langjährige Erfahrung. Es werden andere Aufgaben kommen. Die Berliner Bühne wird regelmäßig neu bespielt, und einer wie Özdemir ist immer prädestiniert für eine Hauptrolle.“

Özdemir hatte mitgeteilt, auf eine Kandidatur als Fraktionschef zu verzichten, weil es keine Mehrheit für ihn gebe. Grund dafür ist auch, dass die Grünen Wert auf ein austariertes Kräftegleichgewicht der Flügel legen. Die Parteilinke hatte intern klar gemacht, dass sie die Kandidatur Annalena Baerbocks für den Parteivorsitz unterstützen würden, wenn Anton Hofreiter neben Katrin Göring Eckhardt weiterhin die Fraktion führten. Da gab Özdemir auf.

Özdemir dementiert Nachfolgepläne

Sein Scheitern hat Spekulationen genährt, dass er eines Tages Kretschmanns Nachfolge antreten könnte. Özdemir erteilte diesen Gerüchten am Montag in Berlin zumindest für die laufende Legislaturperiode eine Absage. Der 69-Jährige sei ein „toller Ministerpräsident“, der noch fit genug für weitere Jahre sei: „Der wird es großartig machen – noch die ganze Legislatur.“ Özdemir sagte er wolle „weiter in Berlin gern dafür sorgen, dass die Politik, für die Winfried Kretschmann sehr erfolgreich steht, auch in Berlin mehrheitsfähig wird.“

Baden-Württembergs Grünen-Chefin Sandra Detzer bedauerte, dass Özdemir nun ohne Posten dasteht, und gab gegenüber unserer Zeitung zu bedenken, „dass der Bedarf an talentierten und charismatischen Politikern bei den Grünen nicht gedeckt“ sei: „Er ist zu jung und zu gut, um aufzuhören.“ Im Vorstand der Bundestagsfraktion, wo mit dem Rückzug von Kerstin Andreae der Einfluss Baden-Württembergs weiter abnahm, komme es nun sehr auf die Kandidatur von Agnieszka Brugger für einen Vize-Posten an. Auch Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz lobte Özdemir in den höchsten Tönen.

Palmer rät: mehr Facebook nutzen

Der Tübinger OB Boris Palmer kommentierte Özdemirs Rückzug nüchtern-gelassen: „Es lohnt sich nicht, Energie auf eine Sache zu verschwenden, die man nicht ändern kann.“ Man müsse eben zur Kenntnis nehmen, dass für Özdemir derzeit keine führende Rolle erreichbar sei. Ironisch fügte er hinzu: „Özdemir hat mir einmal geraten, weniger auf Facebook zu machen. Ich rate ihm, mehr auf Facebook zu machen.“