Detlef S. auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts Foto: dapd

Der wegen zweifachen Mordes angeklagte Frührentner hat einen zweiten Suizidversuch begangen.

Stuttgart - Der 56-jährige Frührentner, der seit Montag wegen zweifachen Mordes vor dem Stuttgarter Landgericht steht, hat einen zweiten Suizidversuch begangen. Der Angeklagte hat sich kurz vor Prozessbeginn offenbar in den Hals geschnitten. Ein Verband verdeckt die Wunde.

Detlef S. scheint mit dem Leben abgeschlossen zu haben. Der pensionierte Postbeamte, den die Staatsanwaltschaft für den sogenannten Parkplatzmörder von Magstadt (Kreis Böblingen) und Mörfelden-Walldorf (Hessen) hält und der sich deswegen vor der 1a. Strafkammer verantworten muss, hatte sich bereits im Juni mit Tabletten das Leben nehmen wollen. Ein Justizbeamter fand den leblosen Untersuchungshäftling gerade noch rechtzeitig. Jetzt zeugt ein großer, weißer Verband an seiner rechten Halsseite von einem weiteren Suizidversuch.

Auf der Anklagebank wirkt der 56-Jährige, der an Füßen und Händen fixiert ist, meist müde und teilnahmslos. Auch als der 35 Jahre alte Zeuge aussagt, der fälschlicherweise 53 Tage als Mordverdächtiger in U-Haft gesessen hatte, bleibt der Angeklagte äußerlich ungerührt.

Der Zeuge aus Sindelfingen fühlt sich sichtlich unwohl im Zeugenstand. Er sagt, er habe damals, in der Mordnacht im Mai 2010, Streit mit seiner Freundin gehabt und sei ziellos herumgefahren, bis er am Parkplatz Hölzersee gelandet sei. Dass dies ein bekannter Treff für Männer ist, die schnellen, gleichgeschlechtlichen Sex suchen, habe er nicht gewusst. "Dort war zu viel los, da bin ich weitergefahren", so der 35-Jährige. In einer Waldeinfahrt sei ihm ein dunkler BMW aufgefallen, der kurz angehalten habe. Es deutet einiges darauf hin, dass es sich um den BMW des Angeklagten gehandelt haben könnte. Sicher ist das nicht. Bei einer Polizeikontrolle fiel der 35-Jährige auf, verwickelte sich in leichte Widersprüche - und landete in U-Haft. Erst knapp zwei Monate später wurde er auf freien Fuß gesetzt. Pro Hafttag gab es 25 Euro Entschädigung.

DNA-Spuren sollen Beweis liefern

In der Zwischenzeit hatte der wahre Täter in Freudenstadt einen Belgier mit einem Messer attackiert und einen 70-jährigen Rentner auf einem Parkplatz in Hessen von hinten mit einem Kopfschuss getötet. Auch dieser Parkplatz gilt als Schwulentreff.

Anhand von DNA-Spuren und Funden im Auto des Angeklagten will die Staatsanwaltschaft beweisen, dass Detlef S. der Parkplatzmörder ist. Aus Rache, weil er sich in Kenia mit dem HI-Virus infiziert hatte, soll er getötet haben. Bei der Polizei hat er die Vorwürfe bestritten. Dort hat er auch weit von sich gewiesen, homosexuelle Kontakte gepflegt zu haben. Im Prozess schweigt er.

Die Polizei hat erhoben, dass der 56-Jährige auf Homosexuellenseiten im Internet unterwegs war und auch an Chats teilgenommen hat. Einer seiner Internetnamen: eine abgewandelte Form von Charon, der in der griechischen Mythologie der düstere Fährmann war, der die Toten über den Totenfluss Acheron setzte, damit sie ins Reich des Totengottes Hades gelangen konnten.

Auch soll Detlef S. in Stuttgarter Schwulenclubs und in einer Videothek mit Homosexuellenfilmen bekannt gewesen sein. Seiner ersten Frau soll er zwischen Standesamt und kirchlicher Trauung gestanden haben, er sei bisexuell.

Es scheint, als habe der Angeklagte ein Doppelleben geführt. Seine zweite Frau besucht ihn nach wie vor in der Haft - obwohl er ihr ganzes Vermögen durchgebracht haben soll. Detlef S. hatte zwar 18 Konten und neun Kreditkarten, aber auch 40.000 Euro Schulden.

Im Prozess ist derzeit das erste Opfer, der ehemalige Berufssoldat Heiko S., Hauptthema. Der 30-jährige Vater einer Tochter sei ein "cooler Typ" gewesen, sagt ein Freund aus. Nach der Bundeswehr habe er sich aber verändert gezeigt. Offenbar hatte er bei Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan Schlimmes erlebt. "Er war völlig antriebslos", so der Zeuge über den 30-Jährigen. Auf dem Parkplatz Hölzertal bei Magstadt fand er ein grausames Ende. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.