Die Seine soll bei der Eröffnungsfeier und auch bei olympischen Wettkämpfen eine Rolle spielen. Das Thema war ein Politikum – und wird es wohl auch bleiben.
Ist die Seine mehr als die "Toilette von Paris"? Dass sich Politiker irgendwo öffentlichkeitswirksam ins kalte Nass stürzen, ist keine Seltenheit. Als die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, in dieser Woche eine Taucherbrille aufsetzte, und durch die Seine kraulte, war es das sehr wohl. Denn der Fluss, der durch Paris fließt, war in den vergangenen Wochen und Monaten ein Politikum. Das bleibt er wohl auch während der Olympischen Spiele, die in der kommenden Woche beginnen. Für Paris ist es bereits die dritte Olympiade nach 1900 und 1924.
Die Seine spielt eine zentrale Rolle bei Olympia 2024. Auf ihr wird die Eröffnungsfeier der Sommerspiele (26. Juli bis 11. August) stattfinden, dabei werden um die 100 Boote mit Athletinnen und Athleten in ihren Olympia-Outfits den Fluss hinunterfahren, so der Plan. Noch wichtiger: die Wettbewerbe im Freiwasserschwimmen und der Start beim Triathlon wird in der Seine stattfinden. Zweifel daran, ob das eine gute Idee ist, schwelen seit Monaten. Die eigentliche Frage dabei: Kann man in der Seine schwimmen? Ist der Fluss sauber genug?
Olympia 2024: Wie sauber ist die Seine?
Zumindest Hidalgo hatte das vor den Spielen für sich mit einem Ja beantwortet. Sie tauchte sogar mit dem Kopf in die vermeintliche „Kloake“ und kraulte mit kräftigen Zügen gegen die Strömung. „Wirklich gut“ sei das morgendliche Bad in der Seine gewesen. Nach knapp fünf Minuten im trüben Wasser stand sie aber wieder an Land. Doch es war eine andere Botschaft, die zählte: Die Seine ist bereit für die Olympischen Spiele!
Das sah auch Organisationschef Tony Estanguet so, der ebenfalls eine Runde durch die Seine drehte. „Der heutige Tag ist eine Bestätigung dafür, dass wir genau dort sind, wo wir hinwollten“, sagte der noch tropfende Estanguet den zahlreichen Reportern und bekräftigte: „Wir sind nun bereit, die Spiele an der Seine zu organisieren.“
Es waren die erhofften Worte für einen Fluss, der vor nicht mal einem Monat von Behörden noch als Gesundheitsrisiko identifiziert worden war. 1,4 Milliarden Euro hat Frankreich bislang investiert, um die Seine vor Olympia 2024 endlich sauber zu bekommen. Doch die Werte von E.Coli-Bakterien – ein Schlüsselindikator für Fäkalien – blieben gemessen an den Vorgaben der Sportverbände lange zu hoch. Vor lauter Ärger, dass das Geld in den Fluss statt soziale Themen gesteckt wurde, starteten die Pariser Stadtbewohner vor Wochen einen Aufruf unter dem Hashtag: #IchKackInDieSeine (#JeChieDansLaSeine)
Wassersportarten bei Olympia 2024 (teils in der Seine)
- Schwimmen
- Freiwasserschwimmen (in der Seine)
- Wasserspringen
- Wasserball
- Synchronschwimmen
- Kanu-Rennsport
- Kanu-Slalom
- Rudern
- Surfen
- Triathlon (in der Seine)
Ein Kritikpunkt, der immer wieder von verschiedenen Seiten geäußert wurde: die Organisatoren verweigerten sich strikt einem einem Alternativplan. „Es ist schwierig, wenn sie keinen Plan B haben, gerade wenn die Wasserqualität so schlecht ist, dass man die Gesundheit der Athleten riskiert“, sagte die deutsche Freiwasserschwimmerin und Medaillenkandidatin Leonie Beck Anfang schon im Juni.
„Ich denke, dass der mediale Druck jetzt auch zunimmt, weil die Leute sagen, die Seine ist die Toilette von Paris“, bekräftigte die 27-Jährige. Die Toilette von Paris! Das Narrativ hat sich längst verbreitet, Politik und Veranstalter paddeln verzweifelt hinterher. Öffentlichkeitswirksame Schwimmversuche in der Seine mussten verschoben werden.
Vor den Spielen hatte ein Sprecher des Pariser Rathauses mitgeteilt, die Seine sei an „elf oder zehn“ der vergangenen zwölf Tage sauber genug gewesen, um dort Schwimmwettbewerbe auszutragen. Während der Spiele trat dann aber das ein, was viele befürchtet hatten: Wegen Regenfällen war die Wasserqualität so schlecht, dass erst die Trainings mehrfach abgesagt werden mussten - auch die Wettkämpfe wurden mehrmals verschoben.
Nach der drückenden Hitze am Dienstag hatte es in der Nacht zu Mittwoch wieder stark geregnet. Auf die Wasserqualität hatte das offenbar keinen entscheidenden negativen Einfluss, am frühen Mittwochmorgen gaben die Organisatoren grünes Licht für das Prestigeprojekt von Paris 2024. "Die Ergebnisse der letzten Wasseranalysen wurden als in Ordnung befunden", hieß es in einer Erklärung. Die Seine, sagte die deutsche Triathletin Nina Eim, "schmeckt eigentlich ganz normal. Ich bin optimistisch, dass es uns allen morgen immer noch gut geht." Die zum Zopf gebundenen Haare waren nach dem Einzel-Wettbewerb der Olympischen Spiele getränkt vom Wasser des Pariser Flusses, der Triathlon-Anzug triefte. Doch von Ekel keine Spur: "Man hat nichts von dreckigem Wasser gemerkt."
Nach tagelangem Ärger über die Wasserqualität hatten die Ausdauerathleten am Mittwochmorgen als erste den Sprung in das trübe Nass gewagt. Vom Pont Alexandre III kraulten die sechs deutschen Starter und ihre Rivalen bis zum Wechsel auf das Rad entlang des Quai d'Orsay. Die starke Strömung erwies sich dabei als das akuteste Problem. Auch die Freiwasserschwimmer um Florian Wellbrock und Leonie Beck sollen ihre Wettkämpfe am 8. und 9. August in der Seine austragen. Der Mixed-Wettbewerb der Triathleten ist am 5. August angesetzt.
Kann man in der Seine schwimmen - auch nach Olympia 2024?
Ab 2025 soll die Seine nicht nur olympische Wettkämpfe, sondern auch privates Planschvergnügen für die Pariser Bürger ermöglichen. Vor rund hundert Jahren war eben das verboten worden. Im Rahmen der Milliarden-Investition werden nun unter anderem 23.000 Wohnungen an die Kanalisation angeschlossen, deren Abwässer bislang ungereinigt in die Seine geleitet wurden.
Und wenn die Wasserqualität während Olympia noch nicht ausreicht? Dann erwägen die Veranstalter, die betroffenen Wettkämpfe jeweils um ein paar Tage zu verschieben. „Wir machen uns keine Sorgen um die Durchführung der Wettbewerbe“, sagte Pierre Rabadan, Sportberater des Pariser Stadtrats, kürzlich dem Radio France Internationale: „Sie werden stattfinden.“ Er setzt darauf, dass die Seine in wenigen Tagen sauber ist – und auch die Athleten sich dann in den Fluss trauen.