Im Hohenheimer Schloss haben Bernhard Gramlich (li.) und Peter Reichert, die vor 50 Jahren am PGH ihr Abitur gemacht haben, einst die Schulbank gedrückt. Foto: Ralf Recklies

Vor 50 Jahren hat erstmals eine Klasse am Paracelsus-Gymnasium in Stuttgart-Hohenheim die Abiturprüfung abgelegt. Wie war das damals? Wir haben bei zwei Schulfreunden nachgefragt.

Hohenheim - Die derzeit 45 Abiturienten des Paracelsus-Gymnasiums Hohenheim (PGH) steuern auf die mündlichen Prüfungen Ende Juni zu. Während sie sich auf das Ende ihrer Schulzeit freuen, schwelgen ältere Semester in Erinnerungen an die Tage, als sie am PGH noch die Schulbank drückten – und zwar im Schloss. Am einstigen Klassenzimmer von Peter Reichert und Bernhard Gramlich wurden damals noch Schweine vorbeigetrieben. Sie gehören zum ersten Jahrgang, der vor 50 Jahren am Hohenheimer Paracelsus-Gymnasium die Abiturprüfung abgelegt hat.

23 Absolventen – 17 Jungen und sechs Mädchen – zählte der Abijahrgang des Jahres 1968. „Und alle haben die Prüfung damals bestanden“, erinnert sich Reichert. Gemeinsam mit seinem Klassenkameraden Bernhard Gramlich freut er sich, dass sich fast alle der damaligen Abiturienten am 6. Oktober wiedersehen werden. Nur eine Mitschülerin, die in Australien lebt, wird von den 21 noch lebenden PGH-Erstabiturienten nicht dabei sein, der Termin hat nicht gepasst.

Erstes Abitreffen fand 1980 statt

„Unsere erstes Abitreffen hat 1980 stattgefunden, seit 1988 treffen wir uns alle fünf Jahre“, sagt Reichert. Und Gramlich ergänzt: „Mit Partnern, teilweise auch mit Kindern.“ Die beiden in Stuttgart lebenden Goldabiturienten freut es sehr, dass die Schulfreundschaften über fünf Jahrzehnte bis heute gehalten haben und selbst größere Distanzen zwischen den heutigen Lebensmittelpunkten der Verbundenheit nicht abträglich waren. Sogar mit dem einstigen Klassenlehrer Otto Hoffmann, der bis zu seinem Tod vor wenigen Wochen in Schönberg gelebt hat, war das Gros der einstigen Schüler freundschaftlich verbunden. „Er war damals ein ganz junger Lehrer, nur zwölf Jahre älter als wir“, sagt Reichert. Es sei ein Verlust, dass er nicht mehr lebe.

Das 1829 gegründete und ursprünglich im Schloss Hohenheim untergebrachte PGH war in den Nachkriegsjahren zunächst ein Progymnasium, in dem die Schüler bis zur zehnten Klasse unterrichtet wurden. Anschließend wechselten sie auf andere Gymnasien. Erst in den 1960er Jahren wurde das Paracelsus-Gymnasium, das 1966 in einen Neubau an der Paracelsusstraße umgezogen ist, zum Vollgymnasium. Vor allem Schüler von den Fildern haben das Paracelsus-Gymnasium besucht, erinnern sich Reichert und Gramlich.

Ihr einstiges Klassenzimmer ist heute Uni-Bibliothek. Diese wird der Abi-Jahrgang 1968 bei seinem Treffen am 6. Oktober ebenso besuchen wie das PGH-Gebäude, in dem sie die beiden letzten Jahre unterrichtet wurden. Die heutige Schulleiterin Sabine Witzke wird die Gold-Abiturienten durchs Haus führen. „Ich freue mich schon darauf“, sagt die Rektorin, die es toll findet, dass sich viele ehemalige Abiturienten bis heute mit dem PGH verbunden fühlen.

Schüler waren sehr politisch

Sehr politisch seien sie als Schüler damals gewesen, sagt Reichert. „Wir haben viel diskutiert und wollten die Welt verbessern.“ Gerne denkt er an die „Leichtigkeit der Zeit, trotz der vorhandenen Ernsthaftigkeit der Weltsituation zurück“ und kommt zum Ergebnis: „Es herrschte einfach eine Aufbruchstimmung.“ Trotz Vietnamkrieg, Notstandsgesetz und der Diskussion über Wehrdienstverweigerung.

Anders als Gramlich ging er mit drei Mitschülern 1970 zum Studieren nach Berlin und kam erst Anfang der 1990er Jahre wieder in die Landeshauptstadt zurück. Während Reichert 20 Jahre in Kreuzberg lebte, hat es Gramlich „immerhin bis nach Plattenhardt geschafft“, wie er schmunzelnd bekennt. Inzwischen lebt der gebürtige Stuttgarter, der hier auch als Richter tätig war, wieder in der Landeshauptstadt: „Ich habe mich hier immer wohlgefühlt“, gibt er unumwunden zu.

Die Hälfte ist in und um Stuttgart geblieben

Rund die Hälfte der PGH-Abiturienten des Jahres 1968 sei in „Stuttgart und Umgebung sesshaft geblieben“, sagt Gramlich. Beruflich hätten alle Mitglieder ihren Weg gemacht. Überflieger habe es keine gegeben, „aber es gab auch keine spektakulären Katastrophen“. Das berufliche Spektrum habe von Musikern über Juristen bis hin zu Medizinern gereicht, so die beiden Ruheständler. Und egal wer welche Position erreicht hat: „Keiner hat einen Dünkel“, so Reichert.

Der soziale Status habe bei ihnen nie eine Rolle gespielt. „Wir haben alle auch viel Freizeit zusammen verbracht, so im Partykeller eines Mitschülers oder in einem Wochenendhäusle“, erzählt Reichert. Von der Stofffülle sei man „nie drangsaliert worden“, Schulstress, wie ihn Schüler heute oft spürten, „haben wir damals nicht so empfunden“, sagt Gramlich. Auch nach dem Abi habe man eher ein leichtes Leben gehabt: „Es gab keinen Numerus Clausus, keine befristeten Arbeitsverhältnisse und keine Akademikerarbeitslosigkeit.“ Das würden sich die aktuellen PGH-Abiturienten sicher auch wünschen.