Papst Franziskus beim Besuch in Havanna Foto: dpa

Papst Franziskus ist im kommunistischen Kuba auch auf politischer Mission: Staatschef Raúl Castro setzt darauf, dass er beim Fall des US-Handelsembargos hilft. Und der Papst darauf, dass die Kirchen voller werden.

Havanna - Lange lebte Regla Biañez Mendoza gefährlich. Die Kommunisten hatten der Kirche auf Kuba den Kampf angesagt. Die 73-jährige Katholikin ist seit zwei Uhr früh auf der Plaza de la Revolución, im Hintergrund strahlt das Konterfei von Che Guevara am Innenministerium. „Wir brauchten den Besuch von Franziskus, damit es weitere Veränderungen gibt“, sagt sie.

Auch 1998 und 2012 bei den Messen von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war Regla Biañez Mendoza schon hier. Stunden später fährt Franziskus, der Hoffnungsträger, mit dem Papamobil durch die Reihen, in seiner Predigt hat er eine klare Botschaft im Gepäck, er wendet sich gegen alle Formen von Ideolgien: „Denn man dient nicht Ideen, sondern man dient den Menschen“, sagte er.

Für Staatschef Raúl Castro ist der Besuch dennoch ein Geschenk - der Papst ist Verbündeter im Kampf gegen das seit fast 55 Jahren bestehende US-Handelsembargo, das Castro „grausam““ nennt.

Jubel mit Kuba- und Vatikanfähnchen ist orchestriert

Havanna, 5 Uhr am Sonntagmorgen. Hunderte Menschen schlafen entlang des Boulvards zur Plaza de la Revolución, wo Franziskus später im Schatten eines riesigen Konterfeis von Che Guevara predigt. Wollen sie alle zur Messe? Frage an einen jungen Mann, ob er Katholik sei: „Mehr oder weniger.“ Alle sind zugeknöpft. Zwei Stunden später die Auflösung. Trillerpfeifen erklingen, „alle aufstehen“. Es sind junge Mitarbeiter des kubanischen Sicherheitsapparates, die Unvorhergesehenes vermeiden sollen.

Das ist Kuba noch immer: viel Kontrolle, der Jubel auch auf dem Platz mit Kuba- und Vatikanfähnchen fein orchestriert. Denn die Wahrheit ist auch: Oft sind die Kirchen leer. Die Zahl von 60 Prozent getauften Katholiken hört sich viel an - nur zwei Prozent der Kubaner besuchen aber laut Bischofskonferenz regelmäßig eine Messe. Gerade um die junge Leuten wirbt Franziskus in Kuba.

Aber viele Jugendliche bewegt Anderes. Seit einiger Zeit gibt es ein paar Internet-Hotspots in Havanna, dort sammeln sie sich nachts mit Smartphones und Laptops: die Gesichter beleuchtet vom Displayschein chatten, mailen sie und schauen sich Videos an.

Empfang mit donnernden Kanonenschüssen

Auch Argentiniens scheidende Präsidentin Cristina Kirchner, der der Papst nicht den Gefallen eines Heimatbesuchs tat, war extra nach Havanna gereist. Der Empfang am Flughafen für Franziskus am Samstag geriet übrigens recht stürmisch: Als er aus dem Flugzeug stieg, flog seine Kopfbedeckung, der Pileolus davon. Unten am Boden zogen die Kubaner alle Register - bis hin zu donnernden Kanonenschüssen. Er forderte gleich bei der Ankunft mehr „Freiräume“ für seine Kirche. Die Regierung will als Signal bald rund 80, nach der Revolution konfiszierte Kirchen zurückgeben.

Seit dem ersten Papstbesuch von Johannes Paul II. 1998 hat sich vieles für die Kirche verbessert. Aber neben dem Ringen um eine Stärkung der Kirche im kommunistischen Karibikstaat schwebt über allem der Wandel durch Annäherung im Verhältnis zum einstigen Feindbild Nummer 1, den „imperialistischen“ USA. Der Prozess der Normalisierung der Beziehungen sei „ein Zeichen für den Sieg der Kultur der Begegnung, des Dialogs“, betont Franziskus. Ein Vorbild für andere Staatenführer in der Welt, meint der Papst.

„Spezielle Achtung und Ehrerbietung“ – Kuschelkurs?

Das zeigt: Es ist ein sehr politischer Besuch, nicht von ungefähr besucht er als erster Papst beide Staaten in einer Reise. Aber Franziskus sorgt auch für Irritationen: Trotz aller Diktatur und Repression nach dem Umsturz 1959 lässt der Jesuit dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro (89) seine „spezielle Achtung und Ehrerbietung“ übermitteln. Ein Kniefall? Zu viel Kuschelkurs?

Fidels Bruder, der ihm als Staatschef nachgefolgte Raúl, fährt einen vorsichtigen Öffnungskurs - vor der Visite telefonierte er erneut mit US-Präsident Barack Obama. Beide Staatschefs lobten die Vermittlungsbemühungen des Papstes. Das Handelsembargo wird nun gelockert, etwa für den Internet- und Mobilfunkbereich, auch der Fährverkehr von den USA zur Karibikinsel soll erlaubt werden.

Franziskus grüßt am Flughafen in Havanna auch die, „die ich aus verschiedenen Gründen nicht werde treffen können“. Besonders die Dissidenten sind enttäuscht, dass es kein Treffen mit ihnen gibt.

„Die politischen Häftlinge in Kuba bleiben in Haft“

Der führende Oppositionelle Antonio Rodiles sagt, der Papst werde sich in den USA sicherlich für ein Ende des Handelsembargos einsetzen. „Aber die politischen Häftlinge in Kuba bleiben in Haft. Und die Repression geht weiter.“ Die katholische Kirche sei nicht dazu da, „um Diktaturen zu stützen“, kritisiert Rodiles.

Raúl Castro ließ immerhin 3522 Häftlinge begnadigen. Der Papst scheint etwas zu bewegen. Aber bei allem Tauwetter - auch die Kuba/USA-Reise wird überschattet vor einer anderen Krise, einer Krise, die ihresgleichen sucht. Auch eine Pfarrei des Vatikans hat eine vierköpfige, aus Syrien geflüchtete Familie aufgenommen - Franziskus besuchte sie vor seiner Reise über den Atlantik.

„Man hat in diesen Gesichtern den Schmerz gesehen“, berichtet er im Flugzeug. Gegen diese Krise erscheint der lange Systemstreit zwischen Kuba und den USA fast wie ein seltsamer Anachronismus.