Gut 50 Papageien leben inzwischen in Bad Cannstatt Foto: dpa

Die Platanen an der Daimlerstraße sollten eigentlich gefällt und durch schmalere Bäume ersetzt werden. Doch dort übernachten die Gelbkopfamazonen.

Bad Cannstatt - Diese Nachricht dürfte Papageien und Anwohner gleichermaßen freuen. Die Platanen an der Daimlerstraße werden nicht gefällt. „Die Maßnahme ist ausgesetzt“, sagt Volker Schirner, der Leiter des Gartenamtes.

Dabei hatte Amtsmitarbeiter Georg Schiel in der Sitzung des Bezirksbeirats Ende Mai erklärt: „Die Platanen sind überdimensioniert.“ Sie würden nach und nach entfernt und durch Ahornbäume ersetzt. Die ersten fünf Platanen sollten in diesem Herbst gefällt werden. Doch daraus wird nichts. Die Fällarbeiten sind gestoppt. Denn die Platanen sind nicht irgendwelche Bäume. Sie sind die Schlafbäume der Gelbkopfamazonen, wie Kathrin Schlecht, die Geschäftsstellenleiterin des NABU Stuttgart erläutert. Die Anwohner hätten sie darauf aufmerksam gemacht. Der Naturschutzbund informierte das Umweltamt und dieses ließ die Fällarbeiten stoppen.

In der freien Wildbahn gibt es noch weniger als 7000 Exemplare

Die Papageien seien „nach EU-Recht streng geschützt“, sagt Amtsleiter Werner Flad. NABU-Mitglied Johanne Martens, die ihre Bachelor-Arbeit über die Gelbkopfamazonen geschrieben hat, ergänzt: „Es gibt weltweit in der freien Wildbahn nur noch weniger als 7000 Exemplare.“ In ihrer Heimat Mexiko seien die Tiere gefährdet. Bei den inzwischen rund 50 Vögeln in Bad Cannstatt handele es sich um die einzige Brutpopulation außerhalb Amerikas.

Foto: Annina Baur
Seit drei Generationen leben die Papageien laut Flad im Bezirk, gelten inzwischen als „heimische Vogelart“. Die quietschgrünen Vögel fühlen sich in Bad Cannstatt wohl. Ohne die Platanen könne sich das jedoch schnell ändern, erklärt die Vogelexpertin. Die Gelbkopfamazonen sind gesellige Tiere. Während sie tagsüber allein in der Stadt unterwegs sind, kehren sie laut Martens am Abend alle an den gleichen Ort zurück. Die Platanen würden schon lange als Schlafplatz genutzt.

Zwischen den hohen Häusern finden die Papageien auch im Winter Schutz. Da die Population mit rund 50 Tieren sehr groß ist, benötigt sie auch viele Bäume. „Die Bäume an der Waiblinger Straße würden allein nicht ausreichen“, sagt Martens. Es helfe den Papageien auch nicht, wenn die Platanen durch schmalere Ahorne ersetzt würden. Denn die Gelbkopfamazonen sind nicht nur gesellig, sondern auch ein wenig streitlustig, wie die Vogelexpertin erklärt. Die Platanen seien so groß, dass es während der Nachtruhe nicht allzu eng auf den Ästen werde.

So wie die Bäume jetzt sind, fühlen sich die Vögel am wohlsten

Hinzu komme, dass die Form dieser Bäume, der lange Stamm und die hoch ansetzenden Äste, den Papageien viel Schutz bieten. Die auffälligen Vögel gehen gerne auf Nummer sicher, deshalb bevorzugen sie zum Schlafen die äußersten dünnen Zweige. Versucht sich dort eine Katze anzuschleichen, bricht der Ast ab und der Papagei kann wegfliegen. Genau aus diesem Grund dürfen die Platanen laut Martens weder gefällt noch zurückgeschnitten werden. So wie die Bäume jetzt sind, fühlen sich die Vögel dort am wohlsten. Gartenamtsleiter Schirner kann den Papageien zwar nicht garantieren, dass sie nie um ihre Schlafplätze bangen müssen – schließlich kann so ein Baum auch krank werden. Vorerst können die Papageien aber wieder unbesorgt durchschlafen.

Das für Bad Cannstatt entwickelte Baumkonzept sei schon ein paar Jahre alt, sagt Schirner. Damals habe man vorgesehen, alle Bäume entlang der Daimlerstraße durch Linden und Ahorne auszutauschen. Ein Konzept, das auch im Bezirksbeirat „einvernehmlich besprochen“ worden sei, wie der Amtsleiter betont. Doch im Laufe der Zeit hätten sich die Voraussetzungen geändert, weshalb man das ganze Vorgehen nun auf den Prüfstand stelle. Die Schlafbäume der Papageien bleiben also bis auf weiteres erhalten.

Wie die Papageien nach Bad Cannstatt kamen

Die Herkunft der Gelbkopfamazonen ist und bleibt ein Geheimnis. Dem Mythos nach soll es in etwa so gewesen sein: Eines Tages tauchte einer dieser Vögel in der Wilhelma auf, vermutlich ein entflohenes Haustier.

Da Papageien gesellige Tiere sind, besuchte der Vogel jeden Tag seine Artgenossen im Zoo. Irgendein Wilhelma-Mitarbeiter hatte wohl Mitleid mit dem einsamen Vogel und so hatte Adam eines Tages eine Eva.

Offiziell hat die Wilhelma eine weiße Weste, besaß sie doch keine Papageien dieser Art. Die Gelbkopfamazone wurde wahrscheinlich in einer Zoohandlung aufgetrieben. Aber auch das ist reine Spekulation.