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Der Panini-Verlag feiert Jubiläum - Batman, Shaun das Schaf und die Simpsons sind Stuttgarter.

Stuttgart - Hier möchte man sich einschließen lassen. In Ruhe die ganze Nacht durchschmökern und den Helden der Kindheit begegnen. Batman, Spiderman, die Simpsons, Wickie, Biene Maja wohnen beim Panini-Verlag an der Rotebühlstraße. Und sollte einem langweilig werden, könnte man Sammelbilder kleben.

Bruno Bolchi war der Erste. Nur eingefleischte Fans von Inter Mailand werden sich an ihn erinnern. Bleibenden Ruhm erlangte er dadurch, dass er der erste Kicker war, den die Brüder Giuseppe und Benito Panini auf ein Sammelbild druckten. Das war 1961. Neun Jahre später klebten die Deutschen mit, 1970 zur WM in Mexiko erschien das erste Sammelalbum mit Fußballern aus aller Welt. Aufreißen, abziehen, kleben - mit diesen rituellen Handreichungen bereiten sich seitdem Generationen von Fans auf ein Turnier vor. 2010 kauften die Deutschen zur WM in Südafrika 95 Millionen Tüten mit je fünf Bildern. Zu 60 Cent die Tüte. Und bescherten damit der deutschen Tochter von Panini einen Umsatzsprung von 53 Millionen Euro auf 86 Millionen Euro. Damit war es laut Branchendienst "Horizont" das Medienunternehmen mit dem prozentual höchsten Umsatzzuwachs im vergangenen Jahr.

Nicht schlecht für einen Verlag, der vornehmlich Klebebilder, Zeitschriften für Kinder und Jugendliche und Comics herstellt. Und den man lange nur mit spitzen Fingern anfasste. So ignoriert der Börsenverein des deutschen Buchhandels immer noch den aufstrebenden Verlag aus Stuttgart. "Im Börsenblatt findet man Zahlen zu allen, nur nicht zu uns", sagt Pressesprecher Steffen Volkmer. Nicht ernsthaft genug scheint Puristen und Kulturwahrern das Geschäft mit Bildergeschichten, Fußballbildchen oder gar Jugendromanen, die sich mit Helden aus Computerspielen beschäftigen. Die Leser sehen es anders. Sie kauften 2010 55 Millionen Exemplare der 130 Buchtitel, 121 Comictitel und 70 Magazintitel.

Auch wenn dies manchem Germanisten schwerfällt einzugestehen, wer heutzutage Stürmer und Dränger ist und in New York, London oder Frankfurt wider die Finanzindustrie auf die Straße geht, trägt nicht Werthers gelbe Hose, sondern die Clownsmaske des Titelhelden aus dem Comic "Vwie Vendetta", der solcherart verkleidet gegen einen faschistischen Staat kämpft. Verlegt wird der Comicroman in Deutschland übrigens von Panini.

Dies zeigt: Die Popkultur hat Einzug gehalten - auch in Deutschland. Man zitiert nicht nur aus "Faust", sondern auch aus Filmen, Comics und Liedern. Doch ändern sich die Vorlieben schnell. Was heute noch Kult war, ist morgen vergessen. Wer da Geschäfte machen will, muss zügig handeln. Dabei hilft, dass der Verlag mit seinen 70 Mitarbeitern wendig ist. Wendig sein muss. "Wir müssen Trends aufspüren", sagt Marketingdirektorin Daniela Seufert.

Klebebilder zur Frauen-WM? Hat geklappt!

Es gibt die Klassiker wie "Wickie", "Pumuckl" oder "Biene Maja", die kaufen die Eltern, weil sie sie selbst als Kinder kannten. Doch vieles ist schnelllebig. Wie das Interesse an den Spielzeugkreiseln Beyblade. Da muss man das Heft dazu zügig auf dem Markt haben, bevor keiner mehr mit den Kreiseln spielt. Oder Kinofilme und Teeniestars. So kaufte man einst die Rechte an Justin Bieber. In den USA der Star schlechthin. In Deutschland kaufte keiner die Klebebilder und Sammelkarten.

Dagegen verkaufte man 5,5 Millionen Tütchen mit Klebebildern zur Frauenfußball-WM in diesem Jahr. Zunächst war man in der Rotebühlstraße skeptisch, ob dies funktioniert. Es klappte. Und wird den traditionellen Einbruch in einem Jahr ohne großes Fußballturnier der Männer mildern. "Unser Umsatz schwankt, weil er stark von den Sammelbildern abhängt", sagt Daniela Seufert. Sie tragen in WM-Jahren und EM-Jahren zu 60 Prozent zum Umsatz bei, Comics und Zeitschriften zu 40 Prozent.

Die Mutter in Modena macht mit 850 Mitarbeitern 800 Millionen Umsatz. 1974 gründeten die Italiener die Niederlassung im westfälischen Nettetal. Für die Fußball-WM in Deutschland wollte man die hiesigen Fans mit den Klebebildern vertraut machen. 2003 erweiterte man das Geschäftsfeld. Und kaufte die Stuttgarter Dino-Entertainment AG, die Zeitschriften und Comics produzierte. Argwöhnte man damals, Stuttgart werde bald ein Verlag verloren gehen, kam es genau andersherum. Im vergangenen Jahr konzentrierte Panini seine Geschäfte an der Rotebühlstraße. Und macht mit dem Jugendmagazin "Hey" dem Branchenführer "Bravo" Konkurrenz. Selbst auf einen anderen umkämpften Markt wagte man sich. Seit April 2010 gibt der Verlag die Frauenzeitschrift "Sensa" heraus.

Batman, Bob der Baumeister, Spiderman, die Simpsons, Schwedin zum Kleben, "Pferde - Freunde fürs Leben", Star-Wars-Comics, Romane zu Videospielen wie "Metal Gear Solid" oder "Final Fantasy", Panini ist ein Gemischtwarenladen. Einer, in dem sich Kunden bedienen, die nach landläufiger Meinung lieber Fernseh schauen oder Computer spielen. "Wir bringen Kinder, gerade Jungs, zum Lesen", sagt Verlagsleiter Max Müller.

Laut einer Markterhebung unter Kindern und Jugendlichen zwischen 6 bis 13 Jahren finden Kinderzeitschriften monatlich 4,35 Millionen Leser. Und vieles von ihrem Lesestoff kommt aus Stuttgart.