Auch die Abschlussprüfungen 2022 werden unter dem Zeichen von Corona stehen. Foto: dpa/Robert Michael

Die Kultusministerin verspricht faire Bedingungen für die aktuellen Prüflinge. Doch nicht nur sie sind Corona-Jahrgänge.

Marbach - Auch in diesem Jahr werde man den Schülerinnen und Schülern faire Bedingungen für die Abschlussprüfungen zusichern. Das sei keine Frage, erklärte Theresa Schopper am Dienstag in Stuttgart. Faire Bedingungen. Wenn das nicht gut klingt. Aber: Was versteht die Kultusministerin unter fair? Und: Was ist per se eigentlich fair? Die Auslegung des Begriffes ist, je nach Blickwinkel, ja doch oft subjektiv.

Vielleicht lohnt der genauere Blick auf die Schopper’sche Definition. Fair ist eine halbe Stunde mehr Zeit bei schriftlichen Prüfungen von drei Stunden und länger. Bei kürzeren gibt es 15 Minuten obendrauf. Das ist nicht nichts, dennoch scheint mir das Adjektiv fair für dieses kleine Bonbonle doch zu hoch gegriffen. Ein Zuckerle ist’s. Mehr nicht. Fair ist hingegen die Zusage, dass man eine mündliche Prüfung mit null Punkten wiederholen kann.

Gebeutelte der Pandemie

Ja, die Jahrgänge, die jetzt in die Prüfungen gehen, sind absolute Corona-Jahrgänge. Da hat die Ministerin Recht. Und ja, sie gehören definitiv zu den Gebeutelten der Pandemie. Gebeutelte, für die es jetzt um viel geht. In der Gefühlsgemengelage so manches Prüflings vielleicht sogar um alles. Doch der Blick auf den aktuellen Jahrgang ist eben nur ein Teil des Problems und sollte nicht die Sorge vieler Eltern um ihre Kinder verdecken, die erst nächstes Jahr oder gar in ein paar Jahren in Abschlussprüfungen gehen. Denn auch sie sind Corona-Jahrgänge.

Die Robert Bosch-Stiftung hat im September 2021 eine Umfrage unter Lehrkräften gemacht. Das Ergebnis überrascht nicht: Die Lernrückstände sind groß, die psychosozialen Problemen bei Kindern und Jugendlichen haben zugenommen. Vor allem die ohnehin schwächeren Schüler leiden nachhaltig unter dem pandemiebedingten Unterrichtsausfall. Und trotz Präsenz bleibt vieles auf der Strecke: Unterricht fällt aus, Kinder und Lehrkräfte sind in Quarantäne, Eltern sind verunsichert.

Große Lernrückstände

Bei eindeutigen Alarmsignalen für die schulische Talfahrt können Kindern und Eltern gegensteuern. Die Klasse wird wiederholt, oder es wird in Nachhilfeunterricht investiert, um Lernlücken zu schließen. Aber was ist mit all den Kindern und Jugendlichen, die sich irgendwie durch das Schuljahr schlängeln? Was ist mit dem sogenannten Mittelfeld? Werden dem Durchschnittsschüler die viel zitierten Lernlücken bei der Abschlussprüfung in ein paar Jahren auf die Füße fallen? Wird er sich dann auch noch auf Corona berufen können? Vermutlich nicht.

Ja die Prüflinge 2022 sind Corona-Jahrgänge. Aber eben nicht nur sie.