Stuttgart being Stuttgart? Die Freitreppe vor dem Stadtpalais als Veranstaltungsort, das gefällt nicht allen. Foto: privat

8,1 Millionen Euro hat der neue Vorplatz mit der 80 Meter breiten Freitreppe vor dem Stadtpalais gekostet. Die Idee: viel Fläche für Open-Air-Events. Doch die Reihe Palais Après wird eingestellt und das Festival Stuttgart am Meer findet anders als geplant statt.

Stuttgart am Meer größtenteils drinnen im Foyer? Palais Après jetzt komplett abgesagt? Was sich wie ein Witz liest, wird diesen Sommer wohl Realität. Erst im Mai wurde die 80 Meter breite Freitreppe vor dem Stuttgarter Stadtpalais feierlich eröffnet und Architekt Klaus Hildenbrand schwärmte zukunftsfroh: „Der Vorplatz ist eine offene, freie Fläche, die dem Museum für zahlreiche Veranstaltungen dienen wird.“ Doch bereits nach wenigen Wochen zeichneten sich Probleme ab.

 

„Stuttgart being Stuttgart“

Das überaus erfolgreiche Open Air Event Palais Après, das donnerstags von 18 bis 22 Uhr stattfand, wurde nach nur wenigen Ausgaben zuerst auf den Balkon des Museums verlegt und nun ganz abgesagt. Dies teilten die Veranstalter am Mittwoch über Instagram mit. „Schweren Herzens müssen wir euch mitteilen, dass Palais Après nicht nur pausiert, sondern die Veranstaltungsreihe vorerst eingestellt werden muss“, heißt es in dem Post. „Die Kurzversion ist, dass am Ende fast schon zu viele Leute da waren und auf Grund von ,Beschwerden von lokalen Gewerbetreibenden’ keine dauerhafte Genehmigung eingeholt werden konnte. Stuttgart being Stuttgart eben...“, schreiben die Veranstalter des Palais Après, die zum Im Wizemann gehören, weiter. Um die 1000 Besucher feierten schätzungsweise an manchen Abenden auf der neuen Freitreppe.

Auch der Direktor des Stadtpalais, Torben Giese, hatte unserer Zeitung bereits mitgeteilt, dass die Polizei immer wieder vor Ort war. Wer genau hinter den Beschwerden steckt, bleibt weiterhin unklar. Stuttgarter Clubbetreiber mit einer gültigen Konzession könnten dahinterstecken. Sie könnten sich unfair behandelt fühlen, denn die Partys auf der Freitreppe fanden in einem Graubereich statt. „Wir sind ein Museum und unser Außenbereich ist keine genehmigte Veranstaltungsaußenfläche“, sagt Giese. Bisher sieht der Bebauungsplan also keine Events wie Palais Après auf der Freitreppe vor, nur im Innenraum ist alles geregelt.

Die fünf Sondergenehmigungen für 2024 sind verbraucht

„Ich verstehe an und für sich das Argument der Wettbewerbsverzerrung, aber im Fall des Stadtpalais trifft es einfach nicht zu“, sagt Matthias Mettmann, Geschäftsführender Gesellschafter von Im Wizemann und damit auch Veranstalter von Palais Après. Bei den Events auf der Freitreppe habe nicht der Konsum im Vordergrund gestanden. Alle hätten ihre eigenen Getränke mitbringen können.

Palais Après nach Feierabend war immer gut besucht. Foto: Katrin Maier-Sohn

„Es war niederschwellig. Genau das, was eine Stadt wie Stuttgart braucht. Und es ist ja auch nicht so, dass die Partys illegal abgehalten wurden.“ Es habe fünf Sondergenehmigungen für dieses Jahr von der Stadt gegeben. Doch jetzt seien diese Sondergenehmigungen aufgebraucht. Nun wolle das Stadtpalais eine Änderung der Baugenehmigung prüfen lassen. „Für vieles hätten wir sicher eine Lösung gefunden, bis diese Prüfung durch ist – auch mit Einverständnis der Stadt und den zuständigen Behörden. Das ist jetzt wegen der anhaltenden Beschwerden nicht mehr möglich. Ich habe auch volles Verständnis für die Stadt, dass sie da kein Risiko mehr eingehen wollen“, sagt Mettmann.

Auch kein „Live vor den Treppen“

Für das Im Wizemann ist das ein herber Schlag, denn nicht nur die Palais-Après-Events sind betroffen, sondern auch das Sommerfestival Stuttgart am Meer wird nicht mehr so stattfinden, wie die Jahre zuvor. Am 23. Juli wurde „Live vor den Treppen“ noch als Programmpunkt gelistet. Einen Tag später steht auf der Homepage „Live im Palais“. Musikalische Acts müssen also nach innen weichen. Ob die Nachfrage dort genauso groß ist, bleibt fraglich.

„Wir wollten uns im Sommer auf unsere Gastronomie und die Events im Stadtpalais konzentrieren, da im Wizemann direkt dann Sommerloch ist“, sagt Mettmann. „Das Aus für die Veranstaltungen auf der Freitreppe hat uns, ehrlich gesagt, das restliche Jahr versaut.“

Der ganze Fall Freitreppe und vor allem die Hintergründe für die Absagen und Verlegungen der Events sorgen in Stuttgart für Aufregung. Das zeigen nicht nur die zahlreichen aufgebrachten Kommentare unter dem letzten Instagram-Post. „Das Stadtpalais ist ein wichtiger Ort für Stuttgart und für die jungen Menschen der Stadt und in der Region geworden“, äußert sich beispielsweise auch Walter Ercolino, der das Pop-Büro Region Stuttgart leitet. „Man sollte jetzt alles dafür tun, dass solche Orte erhalten bleiben.“ Die Ängste und Kritik derjenigen aus der Stuttgarter Gastro- und Clubszene, die sich über die Stadtpalais-Events beschweren, treffe nicht zu. „Palais Après ging ja immer nur bis 22 Uhr.“

Schließungen könnten zu schlechtem Image der Stadt führen

Sowohl Walter Ercolino als auch Matthias Mettmann wünschen sich nun, dass sich alle Beteiligten inklusive der Beschwerdeträger an einen Tisch setzen und eine Lösung finden. „Es besteht die große Gefahr, dass solche Beschwerden und die daraus folgenden Schließungen zu einem schlechten Image und zu einer kulturellen Schieflage in Stuttgart führen“, ist Ercolino überzeugt. Auch Mettmann hofft auf eine Lösung. „Ich verstehe nicht, warum man den Telefonhörer in die Hand nimmt und die Polizei anruft, anstatt den Hörer in die Hand zu nehmen und nach einer Kooperation zu fragen.“ Viel eher sei es Zeit, sich zu fragen, wie das Stuttgarter Nachtleben in Zukunft aussehen solle und ob ein Miteinander nicht ergiebiger sei als ein Gegeneinander.