Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas hat am Dienstagnachmittag im Kanzleramt für einen Eklat gesorgt, auf den Olaf Scholz erst später reagiert hat. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Der Chef des Bundespresseamts bezeichnet es als seinen Fehler, dass der Bundeskanzler der Holocaust-Relativierung von Palästinenserpräsident Abbas nicht direkt widersprechen konnte. Scholz bedauert den Vorfall.

Kleingeredet hat die Bundesregierung den Vorfall vom Nachmittag zuvor keineswegs. Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit bezeichnete am Mittwoch in der Bundespressekonferenz das, was sich beim Besuch von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas im Kanzleramt am Dienstag zugetragen hatte, als „furchtbaren Eklat“. Olaf Scholz sei „empört und entsetzt über die Worte von Herrn Abbas“. Dadurch hätten sich „dunkle Schatten“ über die Beziehungen der Bundesrepublik zur palästinensischen Autonomiebehörde gelegt.

Palästinenserführer antwortet nicht auf Journalistenfrage

Es war die letzte Frage auf der Pressekonferenz am späteren Dienstagnachmittag, die die Geschehnisse in Gang setzt: Ein Journalist wollte wissen, ob Abbas für das Münchner Olympiaattentat vor 50 Jahren um Entschuldigung zu bitten gedenke, bei dem insgesamt elf Mitglieder des israelischen Teams getötet wurden. Der Palästinenserführer antwortete nicht darauf, sondern warf Israel stattdessen vor, seit der Staatsgründung „50 Massaker, 50 Holocausts“ ins Werk gesetzt zu haben. „Eine Relativierung des Holocaust mit seinen mehr als sechs Millionen Toten ist völlig unakzeptabel“, sagte Hebestreit nun, „dies auch noch auf deutschem Boden zu tun, unentschuldbar.“

Worte fielen drastisch aus

Die Worte fielen am Mittwoch auch deshalb so drastisch aus, weil sie direkt im Anschluss an Abbas völlig fehlten. Zuvor hatte Scholz an einer anderen Stelle der Pressekonferenz, als Abbas Israel zum Apartheidsstaat erklärte, seinem Gast unmittelbar danach widersprochen. Die Bezüge zum Holocaust verfolgte der Kanzler zwar mit angesäuerter Miene, er erwiderte aber nichts, da Regierungssprecher Hebestreit – wie nach der Antwort auf die letzte Frage vorgesehen – die Begegnung mit der Presse beendete. Vor dem Hinausgehen gab der Bundeskanzler dem Präsidenten noch kurz die Hand.

Weil von Abbas schon bei früheren Gelegenheiten Töne dieser Art protokolliert sind, konzentrierte sich die Kritik dann auch vorrangig auf des Kanzlers Nicht-Reaktion. Von einem „unfassbaren Vorgang“ sprach etwa CDU-Chef Friedrich Merz. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bezeichnete es als „skandalös“, das Scholz Abbas’ Äußerungen zunächst unkommentiert gelassen hatte. Am Dienstagabend verurteilte er sie dann zunächst gegenüber der „Bild“-Zeitung, am Mittwochmorgen dann über den Kurznachrichtendienst Twitter, wo er sich „zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen“ gab.

Sprecher übernimmt die Verantwortung

Der Kanzler bedauere, dass er nicht auch ein zweites Mal habe widersprechen können, richtete der Chef des Bundespresseamtes im Namen von Scholz aus. Dafür, dass es nicht dazu kam, übernahm der Sprecher selbst die Verantwortung, weil er zu diesem Zeitpunkt „keinen Blickkontakt zum Bundeskanzler“ gehabt, sondern zu den Presseleuten geschaut habe, mit dem „Abbinden“ der Pressekonferenz beschäftigt gewesen sei und selbst „nicht schnell genug reagiert“ habe. „Das war ein Fehler, den muss ich jetzt auf meine Kappe nehmen“, so Hebestreit, es habe „eine schlechte Performance des Regierungssprechers an dieser Stelle“ gegeben.

Kanzler habe Hebestreit „angeraunzt“

Zum Beweis, dass den Kanzler keine Schuld treffe, führte er aus, dass Scholz ihn beim Abgang von der Bühne „schon kurz angeraunzt“ und erklärt habe, „dass ich das etwas schnell gemacht habe und er gerne noch etwas entgegnet hätte“. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann brachte Konsequenzen für den Regierungssprecher ins Spiel: „Er hat seinem Chef und der Bundesrepublik damit einen Bärendienst erwiesen und die Frage muss gestellt werden, ob er der richtige Mann an seinem Platz ist.“

Auf die Frage, ob nicht auch Hausherr Scholz sich über bereits abgeschaltete Mikrofone hätte hinwegsetzen müssen, erklärte Hebestreit, dass auch der Kanzler sein Handeln kritisch hinterfrage. Durch die zugehörige Mimik sei auch die ausgestreckte Hand von Scholz zumindest aus seiner Sicht unproblematisch: „Viel grimmiger als bei dem Handschlag ist er gar nicht fähig zu gucken.“

An diesem Donnerstag geht der Versuch der politischen Schadensbegrenzung weiter: Olaf Scholz hat ein Telefonat mit dem israelischen Premierminister vereinbart.