Im Pädophiliefall von Freiburg hat die Polizei sieben Männer und eine Frau festgenommen (Symbolfoto). Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Mutter des neunjährigen Opfers aus dem Raum Freiburg hat offenbar mit der Vermietung ihres Sohnes an Pädophile viel Geld verdient. Davon geht die Staatsanwaltschaft aus.

Freiburg - Für das Kind sind es qualvolle, entwürdigende und traumatische Erlebnisse gewesen, für die Mutter war es offenbar eine lohnende Einnahmequelle: Über mehr als zwei Jahre soll eine 47-jährige Frau aus einer Gemeinde südlich von Freiburg ihren neunjährigen Sohn sexuell missbraucht und an pädophile Täter für Vergewaltigungen vermietet haben. Sie habe von den Männern jeweils mehrere Tausend Euro kassiert, sagte der Freiburger Oberstaatsanwalt Michael Mächtel. Einer der Freier reiste sogar aus Spanien an. Er, die Mutter, ihr einschlägig vorbestrafter Lebensgefährte und fünf weitere Männer sitzen mittlerweile in Deutschland in Untersuchungshaft.

Es dürfte eine Art Flatrate gewesen sein, die die Männer in den Breisgau lockte. Die Freier zahlten einen vierstelligen Betrag, dafür wurde ihnen das Kind für einen Tag oder ein Wochenende zur freien Verfügung überlassen. „Es gibt Hinweise, dass es so war“, sagte Mächtel. Die Kontaktaufnahme lief über das Internet. Hierfür sei auch das sogenannte Darknet genutzt worden, ein verborgener Teil des Internets, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts.

Jugendamt bestätigt Inobhutnahme

Den Buben hat das Jugendamt des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald mittlerweile in Obhut genommen – nicht zum ersten Mal, wie die Behörde am Freitagabend einräumte. Man habe ihn schon von klein auf betreut. „Dabei ging es um Hilfen zur Förderung der persönlichen Entwicklung des Kindes“, teilte das Landratsamt mit. Mögliche sexuelle Übergriffe spielten dabei offenbar zuletzt eine Rolle. Im vergangenen März habe die Polizei auf eine mögliche Gefährdung des Kindes hingewiesen, sagte der Sprecher des Landratsamts, Matthias Fetterer. Daher habe man das Kind aus der Familie genommen. Allerdings habe das Familiengericht den Schüler wieder nach Hause geschickt – warum, wisse er nicht.

Zwei Monate später wurde wieder ein Gericht aktiv: Das Amtsgericht verurteilte den Lebensgefährten der Mutter zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe ohne Bewährung. Weil er ohne Genehmigung bei der Familie eingezogen sei, habe er gegen seine Führungsauflagen verstoßen, erklärte der Richter. Nach der Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe wegen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger hatte ihm das Landgericht die nähere Kontaktaufnahme zu Minderjährigen untersagt. Allerdings wurde das Amtsgerichtsurteil nicht rechtskräftig. Der Mann legte Berufung ein. Offiziell wechselte er auch seine Anschrift.

Erst im September wurde der Bub endgültig aus der Familie genommen und sein Martyrium beendet. Ein anonymer Hinweis hatte die Ermittler auf den Pädophilenring aufmerksam gemacht. Daraufhin begannen die Experten von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität in Frankfurt ihre Ermittlungen. Binnen fünf Tagen fanden sie die Spur nach Freiburg und identifizierten das Opfer.

Mehr als 2300 Fälle von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch habe man im vergangenen Jahr bearbeitet, sagte der Frankfurter Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk. Der Freiburger Fall steche allerdings heraus. „Sexueller Missbrauch gegen Entgelt ist uns sonst aus Südostasien bekannt. Für uns war es der erste Fall dieser Art“, sagte Ungefuk.

Weil die Verdächtigen die Vergewaltigungen filmten und im Netz tauschten, kamen die Fahnder weiteren Tätern auf die Spur. In Neumünster (Schleswig-Holstein) nahm die Polizei einen 32-jährigen Mann fest, der seine achtjährige Tochter missbraucht hatte. In Karlsruhe verhafteten verdeckte Ermittler einen Mann, der eigens aus Segeberg (Schleswig-Holstein) angereist war, um sich mit dem Neunjährigen zu treffen. Zuvor hatte er im Internetchat Tötungsfantasien im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch geäußert. Auch dieser Mann ist einschlägig vorbestraft. Das Kieler Landgericht hat ihn 2010 zu mehr als zehn Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Bundesgerchtshof hat vorhergehendes Urteil gegen einen der Täter abgemildert

Doch er kam wieder auf freien Fuß. Auch beim damals zugrunde liegenden Fall hatte der 43-Jährige Tötungsfantasien geäußert. Das Gericht hatte darin zwar eine Verabredung zum Mord gesehen. Doch dem Bundesgerichtshof, der sich mit der Revision des Mannes befassen musste, erschien dies nicht hinreichend belegt. Eine andere Kieler Kammer milderte das Urteil daraufhin ab. Wegen der Verabredung zum schweren sexuellen Missbrauch musste er fünf Jahre und acht Monate in Haft. Auf die Sicherungsverwahrung wurde verzichtet. Der Mann habe die Strafe komplett verbüßt und sei 2015 unter Auflagen entlassen worden, sagte der Kieler Oberstaatsanwalt Axel Bieler. Doch auch mit einer Überwachung lasse sich ein solcher Fall nicht verhindern.

Für das neunjährige Opfer hat derweil ein langer Weg begonnen. Es handle sich um einen „unglaublich schweren Fall“, der die herkömmlichen Mittel der Kinderpsychiatrie an ihre Grenzen bringe, sagte der Referatsleiter beim Jugendamt in Stuttgart, Jürgen Strohmair. „Der Junge muss erst einmal lernen zu überleben, bevor er wieder leben lernen kann.“