Um ein Haar wäre die älteste Synagoge Württembergs in Freudental (Kreis Ludwigsburg) abgerissen worden. Stattdessen entstand darin vor 40 Jahren ein wichtiger Ort des Lernens und der Kultur.
Eigentlich, berichtet Michael Volz, der Leiter für Pädagogik und Kultur am Pädagogisch-Kulturelles Centrum Freudental, sei das Ende der Synagoge im Ort schon beschlossene Sache gewesen. Das heruntergekommene Gebäude hätte abgerissen und durch Wohnbauten ersetzt werden sollen. Doch dann habe sich in Freudental, aber auch darüber hinaus, Protest geregt. Immerhin wurde die Synagoge im Jahr 1770 erbaut und ist damit die älteste Württembergs. „So wurde zunächst ein Förder- und Trägerverein gegründet, der Geld für den Kauf sammelte“, berichtet Volz.
Und damit das nach und nach mit viel Arbeit und Engagement wieder hergerichtete Gebäude auch mit Leben gefüllt würde, sei dann ein zweiter Verein gegründet worden, der „Pädagogisch-Kulturelles Centrum ehemalige Synagoge Freudental e. V.“, kurz PKC. Vor genau 40 Jahren, am 17. Januar 1985, konnte das erste Stiftungsfest gefeiert werden. Die Zahl 40 hat aus Sicht von Volz eine besondere Bedeutung: „Erst dann hat man die innere Reife für einen Rückblick.“ Richard von Weizsäcker habe ja auch erst 40 Jahre nach Kriegsende nicht von einer Niederlage, sondern von einer Befreiung gesprochen.
Emotionale Nähe zu jüdischem Leben
Beim PKC kann man auf lange Jahre erfolgreicher Arbeit zurückblicken, die sich zwar gewandelt hat, im Kern aber immer dieselbe geblieben ist. „Wir wollen eine emotionale Nähe zu jüdischem Leben in Freudental herstellen und eine Haltung vermitteln, bei der man nicht nur kurz etwas anschaut, sondern sich auch Gedanken darüber macht“, sagt Volz. In Freudental gebe es noch viele Zeugnisse, die deutlich machten, dass jüdisches Leben im Ort über lange Zeit etwas ganz Normales und Dazugehörendes gewesen sei. „Diese Normalität im Zusammenleben, unabhängig von der Religion, ist uns wichtig, denn sie ist das Beste, das wir vermitteln können.“
Denn heute würde der Begriff „Jude“ leider oft mit dem Wort „Opfer“ gleichgesetzt und wie ein Schimpfwort gebraucht. Anhand der Synagoge, aber auch von Grabsteinen oder den an zwei Häusern noch erhaltenen, „Mesusa“ genannten Türsegen, könne man in Freudental hingegen zeigen: „Das waren einfach Menschen, die vor euch hier gelebt haben.“ Das Ziel des PKC sei „Charakterbildung, eigentlich sogar Herzensbildung“.
In der Anfangszeit unter Ludwig Bez habe es noch die Möglichkeit gegeben, Zeitzeugen mit Schulklassen in Kontakt zu bringen, sagt Volz. Damals seien auch die meisten Publikationen entstanden. Inzwischen seien die meisten Zeitzeugen verstorben. Auch sonst habe sich manches verändert. Früher seien Bildungsreisen ein Schwerpunkt gewesen, später sei eine Hinwendung zu den Schulen erfolgt, die der frühere Gymnasiallehrer Volz noch weiter ausbaut.
Auch mit der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg arbeitet das PKC zusammen. Doch grundsätzlich richte sich das Angebot an Menschen jeden Alters. Führungen gehören ebenso dazu wie Theaterspaziergänge, die das Leben früherer Zeiten in Freudental anschaulich machen. Darüber hinaus werden regelmäßig international bekannte Künstlerinnen und Künstler eingeladen. Ein bis zwei Veranstaltungen seien es pro Monat, berichtet Volz. Wichtig sei das PKC aber auch als eine Anlaufstelle für Nachfahren der ehemaligen jüdischen Einwohner Freudentals.
Besondere Bedeutung in diesen Zeiten
Letzten Endes komme gerade in Zeiten des wachsenden Antisemitismus einem ethischen Prinzip des Judentums besondere Bedeutung zu, so Volz: Jeder und jede Einzelne ist verantwortlich für die Gesellschaft, soll Ungerechtigkeiten erkennen und konkret Abhilfe schaffen.