Rund um die Teck oder auch wie hier auf einer Wiese bei Owen findet Ursula Sander eine Vielzahl von Wildkräutern. Foto: Ines Rudel

Ursula Sander aus Owen ist ein wandelndes Pflanzenlexikon. Die einzige aktive Kräuterpädagogin im Gebiet des Altkreises Nürtingen zeigt, was man mit Mädesüß, Giersch und Gundermann in der Küche anstellen kann. Was als Unkraut gilt, hat oft wohltuende Wirkung.

Owen - Wenn Ursula Sander Teilnehmern ihrer Führungen die wohltuenden Eigenschaften von Wildkräutern erläutert, dann lehnt sie sich nie allzu weit aus dem Fenster. Denn die Owenerin ist keine Ärztin oder Apothekerin. Wohl kann die Kräuterpädagogin aber sagen, was heimischen Kräutern von alters her an Heilkräften zugeschrieben wird.

Das „Aspirin der Pflanzen“ hilft bei Kopfschmerzen

Beispiel Mädesüß: die Pflanze aus der Familie der Rosengewächse ist „das Aspirin der Pflanzen“, erklärt Ursula Sander und bezieht sich dabei auf schmerzstillende Substanzen, die ähnlich wie Acetylsalicylsäure wirken. „Die Volksheilkunde sagt, dass Mädesüß gegen Kopfschmerzen hilft.“

Bei ihren Exkursionen rund um die Teck und an der Bassgeige um Owen stößt die einzige Kräuterpädagogin im Gebiet des früheren Altkreises Nürtingen auf wenigen hundert Metern auf so viele Wild- und Gartenkräuter, dass anderthalb Stunden wie im Flug vergehen.

Wie ein Almdudler auf schwäbische Art hergestellt wird

Doch nicht nur als Heilpflanzen – häufig in Form von Tees genossen – genießen Wild- und Gartenkräuter Wertschätzung. Was die heimischen Wiesen zu bieten haben, findet auch in der Küche bei der Zubereitung von Speisen und Getränken Verwendung. Ursula Sander deutet auf eine Pflanze und identifiziert sie als Giersch – allein der Name löst bei Gärtnern Schweißausbrüche aus. Doch die als Unkraut verschriene Pflanze eigne sich hervorragend zur Herstellung einer schmackhaften Mixtur. Man nehme Giersch, Minze, Mädesüß, Salbei und eventuell etwas des ebenfalls als Unkraut gefürchteten Gundermanns. Das Ganze wird über Nacht in Apfelsaft eingestellt und mit Mineralwasser verdünnt. „Dann haben Sie einen wunderbaren Almdudler auf schwäbische Art“, verrät Ursula Sander ein einfaches Rezept.

Der in Pflanzenkunde geschulten Kräuterpädagogin geht es darum, verschüttetes Wissen wieder zu Tage zu fördern. Brennnesseltee kennt fast jeder. Aber wer weiß schon über die einst übliche Verwendung von Brennnesselfasern für Kleidung Bescheid? Leinen konnte sich nicht jeder leisten, so Ursula Sander. Die Alternative waren aus Brennesselfasern hergestellte, extrem reißfeste Stoffe. „Von der Wiege bis zur Bahre – so lange hat die Kleidung gehalten“, sagt die Kräuterpädagogin.

Neue Erwerbsmöglichkeiten für Frauen im ländlichen Raum

Die 64-Jährige ist schon seit langem bei den Owener Landfrauen aktiv. Der Landfrauenverband hat ein unter anderem vom Landwirtschaftsministerium gefördertes Programm aufgelegt, das neue Erwerbsmöglichkeiten für Frauen im ländlichen Raum eröffnen soll, etwa als Gästeführerinnen. Vor zehn Jahren war Ursula Sander unter den ersten, die im Rahmen des Programms die anderthalbjährige Ausbildung zur Kräuterpädagogin absolviert haben. Inzwischen ist sie in Sachen Wild- und Gartenkräuter ein wandelndes Lexikon, das je nach Vegetationszone und Jahreszeit interessierte Bürgerinnen und Bürger in die Geheimnisse der hiesigen Pflanzenwelt einweiht. Meist sind das Frauen jenseits der 50, aber auch Schulklassen unterrichtet Ursula Sander.

Rotklee, Spitzwegerich, Labkraut, Storchschnabel, Schafgarbe – all diese Gewächse findet man jetzt noch. Doch geht die Saison langsam zu Ende. Während der kalten Jahreszeit wird Ursula Sander Vorträge halten und darin Geschichten über Ursprung und Mythos von Pflanzen vermitteln. Eine Botschaft nehmen alle Teilnehmer mit: „Es gibt kein Unkraut. Es hat alles seinen Platz in der Welt“, ist die Kräuterpädagogin fest überzeugt.

Mehr als 120 Mitglieder

Anfänge
Um Ziele und Interessen zu bündeln, schlossen sich 16 Kräuterpädagoginnen im April 2009 zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Vor drei Jahren erfolgte die Gründung des Verein Kräuterpädagogen Baden-Württemberg, der jetzt mehr als 120 Mitglieder hat.

Ziele
Jeder sieht sie, keiner kennt sie – der Verein will die „traditionelle Verwertung von wild wachsenden Pflanzen weitergeben und mit dem heutigen biologischen Verständnis von Ernährung und Heilung verknüpfen.