Das Haus Dix mit Seeblick. Foto: Kunstmuseum Stuttgart

Auf der Bodensee-Halbinsel Höri fanden in den vergangenen 100 Jahren viele Künstler und Literaten Zuflucht. Etwa Otto Dix, in dessen einstigem Wohnhaus, dem Museum Haus Dix, Familiengeschichte erlebbar wird.

Auf der Bodensee-Halbinsel Höri fanden in den vergangenen 100 Jahren viele Künstler und Literaten Zuflucht. Etwa Otto Dix, in dessen einstigem Wohnhaus, dem Museum Haus Dix, Familiengeschichte erlebbar wird.

Gaienhofen - Eigentlich wollte er nicht lang bleiben. Otto Dix (1891–1969) sah den Aufenthalt am Bodensee als Zwischenstation. Den Künstler zog es zurück in die Großstadt, nach Dresden, nach Berlin. Dort war seine Welt, dort fand er die Themen für seine Bilder – Verstümmelte, Bettler, Prostituierte. Was sollte er, der sich mit Armut, Verbrechen, den Grauen des Ersten Weltkriegs beschäftigte, mit der lieblichen Landschaft am Untersee, mit der Abgeschiedenheit der Halbinsel Höri anfangen? „Ein schönes Paradies“, fand Dix. „Zum Kotzen schön. Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh.“

Die Gegend ist noch heute ländlich-beschaulich, von Bauern und Gemüsegärtnern geprägt. Und man findet dort, was am Bodensee selten geworden ist: Ruhe, Entspannung, Gelassenheit. Wer in dem am Hang gelegenen Dix-Haus in Gaienhofen-Hemmenhofen aus den riesigen Fenstern schaut, ist sprachlos angesichts des malerischen Panoramas. Unten der silbern schillernde See, gegenüber das Schweizer Ufer mit seinen bewaldeten Hängen. Umwerfend! Man beneidet Dix um diesen Blick, würde ihn gern selbst jeden Tag genießen. Aber es war damals in den 30er Jahren ja kein freiwilliger Ortswechsel gewesen, sondern ein von den Nationalsozialisten erzwungener. Dix war aus seinem Lehramt an der Akademie in Dresden entlassen worden. Seine Kunst galt als entartet.

Irgendwann freundete sich Dix mit der Idylle an

Dem Rückzug nach Randegg folgte 1936 der Umzug in das mächtige Haus in Hemmenhofen. Irgendwann nahm Dix dann doch den Reiz der Gegend wahr, fand Gefallen an der Idylle, malte wie besessen – und blieb der Höri bis zu seinem Tod im Jahr 1969 treu. Wie er dort samt Familie sein Leben verbrachte, erfährt der Besucher bei der Tour durch das Anwesen. Vergangenen Sommer wurde es als Außenstelle des Kunstmuseums Stuttgart neu eröffnet und in Museum Haus Dix umbenannt. Vor wenigen Tagen ist es in seine zweite Saison gestartet.

Beim Gang durch das von einem großen Garten umgebene Museum geht es weniger um Kunst, stattdessen werden Erinnerungen erlebbar gemacht. Jan Dix, 86-jähriger Sohn des Künstlers, der in einem Nachbarort wohnt, erzählt, wie sich die Familie zum Mittag um den großen Esstisch im Wohnzimmer versammelte. Die Mutter sei eine gute Köchin gewesen. Der Vater habe vor allem Fleischgerichte gemocht. Im Salon sei viel musiziert worden – und vor allem getanzt. Oft bis in den Morgengrauen. Otto Dix und seine Frau Martha seien leidenschaftliche Tänzer gewesen, hätten als junges Paar gar mit dem Gedanken gespielt, Profitänzer zu werden. Passend dazu hängt das Großstadt-Triptychon an der Wand. Nicht im Original, das ist im Kunstmuseum in Stuttgart zu finden. Sondern als angedeutete Wandmalerei.

Informationen zu den Gemälden und Originalmöbeln

Über die Treppe geht es hoch in den ersten Stock, unter anderem ins Atelier des Künstlers, wo seine drei Kinder stets willkommen waren. All das erfährt man natürlich nicht von Jan Dix persönlich, sondern über den Audioguide, den er mit weicher, wohlklingender Stimme besprochen hat. Neben unterhaltsamen Geschichten und spannender Geschichte gibt es zahlreiche Informationen zu den Gemälden und Originalmöbeln, die einst das Anwesen schmückten. Raum und Zeit werden so greifbar.

Beim Rundgang sind zwei, drei Stunden schnell vergangen. Im Dixschen Wohnzimmer, dem heutigen Besuchercafé, kann man eine Pause einlegen. Bei schönem Wetter auch auf der Terrasse. Wer dort sitzt und den Blick über den ruhig daliegenden See gleiten lässt, versteht, warum so viele Künstler auf die Höri pilgerten. Hermann Hesse etwa, der von 1904 bis 1912 hier lebte. Oder der Brückemaler Erich Heckel (1883–1970). Die Stimmung fängt ein Satz auf einer Einladung für ein Fest im Hause Dix ein: „Schiffbrüchige, rettet euch mit uns auf unsere einsame Insel!“