Zweitliga-Saison 1976/77: Ottmar Hitzfeld im Neckarstadion gegen Eintracht Trier (1:0) Foto: Baumann

Er ist eine Trainer-Legende und Teil der Geschichte des VfB Stuttgart. Ottmar Hitzfeld sieht den VfB im Kampf um den Aufstieg gut gerüstet, empfiehlt aber, die Abwehr zu verstärken. Die Ausgliederungspläne des VfB hält der frühere Bayern-Coach für sinnvoll.

Stuttgart - Er ist eine Trainer-Legende und Teil der VfB-Geschichte. Der frühere Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld sieht den VfB Stuttgart auf einem guten Weg, empfiehlt jedoch die Defensive zu verstärken.

Herr Hitzfeld, sind Sie dem Staatlichen Schulamt in Freiburg noch dankbar?
(lacht) Sie haben mir als Lehrer für Mathematik und Sport keine Anstellung gegeben, sie wollten eine Nachprüfung, weil mein Staatsexamen zehn Jahre her war. Da habe ich es eben als Trainer versucht.
Das war kein Fehler.
Aus heutiger Sicht schon, ich hatte riesiges Glück. Aber damals war ich sauer. Ich war ortsgebunden und nicht der Typ, der von Stadt zu Stadt zieht. Ich hatte immer ein bisschen Heimweh.
Sie gingen in die Schweiz.
Beim Sportclub Zug bekam ich 1983 auch gleich einen Job, obwohl ich wusste, dass der Präsident ein Verrückter ist.
Inwiefern?
Er war Bauunternehmer, der Geld in den Club investierte. Er polterte herum, mal zahlte er die Spieler, dann wieder nicht. Er behandelte die Profis wie seine Bauarbeiter. Es war das schwierigste Jahr meiner Trainerlaufbahn.
Das hat Sie sicherlich geprägt.
Sehr, sogar. Es war ein schmaler Grat. Ich musste ja auch zur Mannschaft halten, manchmal gegen den Willen des Präsidenten handeln.
Der Klassiker: Trainer zwischen allen Stühlen.
Mir hat natürlich geholfen, dass ich als Spieler schon die guten und die schlechten Zeiten kennengelernt hatte. Was bedeuten Siege, was Niederlagen? Auch im Umgang mit der Öffentlichkeit war ich einigermaßen geübt.

Vertrauen zahlt sich aus

Was hat Sie als Trainer geleitet?
Die Gewissheit, dass es sich rentiert, wenn man Vertrauen in die Mannschaft investiert. Das ist zwar sehr anstrengend, zahlt sich irgendwann aber immer aus. Mein Motto war: Lieber verliere ich mal ein Spiel, als mein Gesicht. Wenn man das verliert, hat man keine Chance mehr bei der Mannschaft. Stellen Sie sich vor, die Spieler bekommen mit, dass ein Teamkollege nur spielt, weil es der Präsident so will.
Der VfB Stuttgart war 1975 Ihre erste Station im deutschen Fußball.
Ja, meine Verhandlungspartner waren Geschäftsführer Ulrich Schäfer und Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder. . .
. . . und der VfB hatte wie immer kein Geld?
Schäfer war der richtige Mann am richtigen Ort. Der schaute immer so, dass man Mitleid mit ihm bekommen musste.
Wie hoch war das Gehalt?
(schmunzelt) Ich war zufrieden.
Und dann stieg der VfB in die zweite Liga ab.
Ich hatte im März schon unterschrieben. Da war der VfB noch erstklassig.
Die erste Saison nach dem Abstieg war bescheiden. Der VfB landete auf Rang elf, sie kickten mit Teamkollegen wie Hansi Müller, Karlheinz Förster und Hermann Ohlicher vor durchschnittlich 11 300 Zuschauern.
Da war auch Pech. Die Mannschaft war vom Potenzial her sehr reif, aber es passte irgendwie nicht mit Trainer Istvan Sztani.
Der VfB verlor vor 1200 Zuschauern zu Hause mit 2:3 gegen den SSV Reutlingen.
Das war sehr bedrückend vor solch leeren Rängen, ein Tiefpunkt. Wir wurden ausgepfiffen. Ich kam vom FC Basel, der öfter mal Schweizer Meister war und immer viele Zuschauer hatte. Ich dachte, das wird beim VfB ähnlich sein.
In der Saison darauf platzte der Knoten. Was war der Grund?
Jürgen Sundermann, ein toller Motivator. Er gab der Mannschaft Selbstvertrauen und Sicherheit. Er war als Trainer ein Glücksgriff von Gerhard Mayer-Vorfelder. Er hielt blühende Reden vor jedem Training und vor jedem Spiel.
Ihre sechs Tore beim 8:0 gegen Jahn Regensburg sind bis heute Vereinsrekord. Haben die ohne Abwehr gespielt?
Das bleibt natürlich in Erinnerung. Es war mir in der zweiten Halbzeit fast schon peinlich, weil ich dachte, dass die Teamkollegen ja auch noch Tore schießen wollen. Mein Vater war im Stadion und mächtig stolz auf seinen Sohn. Der konnte es nicht fassen.
In späteren Jahren waren Sie mehrfach als VfB-Trainer im Gespräch. Warum hat es nie geklappt?
Ich war eben immer unter Vertrag. Als junger Coach in Aarau wollte mich MV mal holen, aber dann konnte der VfB Arie Haan haben und hat sich für ihn entschieden.
Damals eine gute Wahl.
Ich konnte das verstehen. Vielleicht wäre ich als junger Coach auch überfordert gewesen.
Und Sie wären womöglich der einzigen Kontinuität beim VfB zum Opfer gefallen: dem häufigen Trainerwechsel.
In den vergangenen Jahren war das schon heftig. Aber jetzt scheint man ja wieder einen sehr vernünftigen Präsidenten zu haben. Aktuell sieht es doch ganz gut aus.
Wie stark ist die zweite Liga in Ihren Augen? Sie wird ja in höchsten Tönen gelobt.
Der Fußball hat sich generell gut entwickelt. Bis in die Amateurligen hinein wird besserer Fußball gespielt als vor zehn Jahren. Das Kombinationsspiel hat sich durchgesetzt. Auch, weil die jungen Spieler besser ausgebildet sind. Die technische Präzision hat sich verbessert und das Verteidigen in der Zone. Man legt großen Wert auf Spielzüge. Die zweite Liga hat einen hohen Stellenwert, das sieht man auch am VfB, der in jeder Partie alles geben muss.