Filmemacher Oswalt Kolle ist eine Woche vor seinem 82. Geburtstag in Amsterdam gestorben.
Amsterdam - Mit seinen Büchern und Filmen hat Oswalt Kolle stets für einen offenen Umgang mit Sexualität gekämpft. "Liebe kann man nicht lernen, Sexualität sehr wohl", lautete sein Credo. Vor einer Woche ist Kolle gestorben, wie seine Familie am Freitag nach der Trauerfeier mitteilte. An diesem Samstag wäre Kolle 82 Jahre alt geworden.
Sein Kampf für sexuelle Gleichberechtigung und gegen die Doppelmoral der Adenauer-Ära ließ ihn in den 60er und 70er Jahren zum "Aufklärer der Nation" werden und machte ihn auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Bis zuletzt spielte körperliche Liebe für Kolle eine große Rolle. "Die Lust wird nicht weniger, und Sex ist das beste Mittel gegen Alterstraurigkeit", sagte er kurz vor seinem 80. Geburtstag im Interview mit dieser Zeitung.
Bis Kolle seine Lebensaufgabe gefunden hatte, dauerte es allerdings einige Zeit. Zunächst hatte der am 2. Oktober 1928 in Kiel geborene und in Frankfurt am Main aufgewachsene Sohn eines Psychiaters nämlich eine Landwirtschaftslehre begonnen, die er mit der Gehilfenprüfung abschloss. Danach machte er allerdings doch noch das Abitur und wurde Journalist.
Vom Jornalisten zum Aufklärer
Nach ersten Schritten als Lokaljournalist machte Kolle zunächst Karriere im Boulevard: Sein erster größerer Erfolg wurde die 1960 in der "Frankfurter Illustrierten" veröffentlichte Serie "Sie nennen es Liebe" über Filmstar-Ehen. Danach schrieb er in der Zeitschrift "Quick" über das bunte Leben der Promis, bis ihn ein albtraumhaftes Erlebnis mit Sophia Loren zur Abkehr von der Glitzerwelt der Stars brachte.
Der Schweißgeruch in Lorens Wohnwagen beim Interview habe ihn zur Umkehr bewogen, berichtete Kolle in einem Zeitungsinterview: "Die Dame benutzte kein Deodorant, und es stank so fürchterlich wie im Umkleideraum einer Turnhalle." Da sei ihm plötzlich klargeworden, dass er "diesen seichten Star-Journalismus" nicht mehr wolle. Da traf es sich gut, dass ihm eine populärwissenschaftliche Serie über Kinder angeboten wurde, die auch das Thema Sexualität einschließen sollte - die Geburtssekunde der Aufklärungreihe "Dein Kind, das unbekannte Wesen". "Ich hatte mein Lebensthema gefunden", sagte Kolle.
Auf Zeitungsartikel folgten Bücher in zwölf Sprachen, darunter Chinesisch, aus den Büchern wurden Filme - alles mit einem Ziel: Sexualaufklärung. Im Januar 1968 hatte der zweiteilige Film "Das Wunder der Liebe - Sexualität in der Ehe" Premiere. Er wurde in ganz Europa zum Kassenschlager, in Belgien und einigen Kantonen der Schweiz aber auch verboten.
Kampf gegen Doppelmoral
Es folgten weitere Aufklärungsfilme, die Kolle auch Gegenwind von den Moralhütern seiner Zeit einbrachte. "In meiner Jugend herrschte eine unglaubliche Doppelmoral. Wir Jungs sollten uns die Hörner abstoßen. Wenn das ein Mädchen gemacht hat, wurde es als Flittchen abgestempelt", erinnerte sich Kolle. Bereits bei "Das Wunder der Liebe" habe er zwei Tage und zwei Nächte mit der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) der Filmwirtschaft über jede einzelne Szene verhandelt, sagte Kolle. Ein Zensor habe gesagt: "Herr Kolle, Sie wollen wohl die ganze Welt auf den Kopf stellen, jetzt soll sogar die Frau oben liegen!"
Kritik an Kolles Arbeit kam auch vonseiten der Kirche. "Ich habe mit dem Unsinn aufgeräumt, dass vorehelicher Sex zwangsläufig zu eitrigen Geschlechtskrankheiten und ungewollten Schwangerschaften führt", sagte Kolle. Daraufhin sei ihm von der Katholischen Kirche "bodenloser Hass" entgegengeschlagen.
Genützt haben die Mahnungen vor einer allzu freizügigen Moral freilich wenig. Kolles acht Kinofilme haben weltweit mehr als 60 Millionen Zuschauer in die Kinos gelockt. Allerdings suchte sich der Autor und Filmemacher eine neue Heimat und zog in die Niederlande. In Anbetracht der Aufregung, die seine Veröffentlichungen in Deutschland stets auslösten, erschien ihm die holländische Hauptstadt Amsterdam Anfang der Siebziger wie eine Insel der Ruhe. Dort erlebte Kolle "eine enorme Freiheit und Toleranz, Offenheit und Ehrlichkeit beim Thema Sexualität". Die Amsterdamer nahmen den "Sex-Guru" aus dem Nachbarland, der Niederländisch fließend, aber stets mit Akzent sprach, freundlich auf. So wurde der deutsche Sexualpionier "ein treuer Untertan der niederländischen Königin".
Die letzten Jahre lebt Kolle monogam
Zuletzt lebte der einstige Bürgerschreck mit seiner Lebensgefährtin Jose del Ferro (69) im ruhigen und vornehmen Amsterdamer Beethovenviertel - und zwar monogam, wie er beteuerte. Eine Beziehungsform, die er während der 49 Ehejahre mit seiner verstorbenen Ehefrau Marlies Duisberg vehement abgelehnt hatte. Kolle berichtete stets freimütig von seinen ständigen Seitensprüngen.
Auch Affären mit der jungen Romy Schneider sowie mit anderen Prominenten ließ Kolle nach eigenen Angaben nicht aus - darunter auch die Schauspieler Horst Buchholz und O.E. Hasse. "Mein Ideal war immer: Wenn zwei sich mögen, müssen sie sich die Lebensgemeinschaft aussuchen, die zu ihnen passt", sagte er.
Als Marlies Duisberg im Jahr 2002 im Sterben lag, brach Kolle noch einmal ein gesellschaftliches Tabu und bekannte sich zur in den Niederlanden erlaubten, in Deutschland aber heftig umstrittenen Sterbehilfe.