Ein Wegweiser vor der Erdgasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 2 – bisher führt der Weg ins Nichts. Foto: dpa/Jens Büttner

Altkanzler Schröder und Russlands Präsident Putin sind sich einig: Die Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 würde die deutschen Gasprobleme lösen. Dagegen sprechen wichtige formale und politische Gründe.

Altkanzler Gerhard Schröder hat es einfach mal versucht: Angesichts des drohenden Gasmangels hat er sich für eine Inbetriebnahme der neuen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 eingesetzt. Das wäre „die einfachste Lösung“, sagte er im Interview mit dem Magazin „Stern“ und dem Sender RTL/Ntv.

Nord Stream 2 sei fertig, sagte der Sozialdemokrat – wenngleich nicht uneigennützig, weil Schröder dem Verwaltungsrat der Betreiberfirma dieser Gasleitung vorsteht. „Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline.“ Andernfalls müsse man „die Folgen tragen“, warnte er. „Und die werden auch in Deutschland riesig sein.“

Bis Jahresende maximal 27,5 Milliarden Kubikmeter Gas

Russlands Präsident Wladimir Putin habe dem Altkanzler bei dessen Besuch vorige Woche zugesichert, dass Nord Stream 2 betriebsbereit sei, wie der Sprecher des Präsidialamtes in Moskau, Dmitri Peskow, ergänzte. Es sei technisch möglich, bis Jahresende maximal noch 27,5 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Ostsee-Röhren nach Europa zu pumpen, solle Putin festgestellt haben.

Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwoch in Mülheim bekräftigt: Die laut Russland noch fehlende Gasturbine von Siemens Energy für Nord Stream 1 könne jederzeit dorthin gebracht werden – insofern gebe es keine Notwendigkeit, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen.

Die weitgehend fertiggestellte Pipeline war vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht wie geplant in Betrieb genommen worden – auch weil laut dem Bundeswirtschaftsministerium noch die Zertifizierung der Nord Stream 2 AG als unabhängiger Transportnetzbetreiber fehlt. Die Bundesnetzagentur hatte dieses Verfahren Mitte November vorigen Jahres ausgesetzt. Sie sei zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Zertifizierung eines Betreibers der Leitung Nord Stream 2 nur dann in Betracht komme, wenn der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert sei, hieß es seinerzeit.

Verfahren zur Zertifizierung längst ausgesetzt

Die Nord Stream 2 AG, mit Sitz in Zug in der Schweiz, hätte sich entschlossen, nicht die bestehende Gesellschaft umzuwandeln, sondern eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht nur für den deutschen Teil der Leitung zu gründen. Diese Tochtergesellschaft, so die Bundesnetzagentur, solle Eigentümerin des deutschen Teilstücks der Pipeline werden. Die Tochtergesellschaft müsse dann aber selbst die Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes an einen unabhängigen Transportnetzbetreiber erfüllen. Das Zertifizierungsverfahren bleibe daher so lange ausgesetzt, bis die Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte auf die Tochter abgeschlossen sei.

In der Folge gründete die Nord Stream 2 AG Ende Januar 2022 die Tochtergesellschaft Gas for Europe GmbH mit Sitz in Schwerin. Diese sollte Eigentümerin und Betreiberin des deutschen Teils der Pipeline werden.

Berichte über Insolvenz der Nord Stream 2 AG

Neben den Entflechtungsvorgaben setzt die Zertifizierung zudem noch eine Feststellung des Bundeswirtschaftministeriums voraus, dass dadurch nicht die Sicherheit der Elektrizitäts- oder Gasversorgung der Bundesrepublik oder der EU gefährdet ist.

Medienberichten zufolge soll die Nord Stream 2 AG aufgrund der Sanktionsmaßnahmen gegen Russland vor der Insolvenz stehen. Die Arbeitsverträge mit den rund 140 Mitarbeitern seien gekündigt. Die Nord Stream 2 AG bestreitet eine Insolvenz.

Neben der formalen Begründung gibt es aber noch die politische: Gas durch Nord Stream 2 fließen zu lassen, würde bedeuten, dass die europäischen und deutschen Sanktionen gegen Russland unterlaufen würden. Dies kommt für die Bundesregierung nicht in Frage, um die Unterstützung der Ukraine in dem Krieg nicht zu gefährden.