Die musische Erziehung bildete neben dem Sport und der politischen Bildung ein wichtiges Standbein der Sportschule Ruit. Auch die Hausmusik wurde gepflegt. Foto: Horst Rudel

In der Sportschule Ruit in Ostfildern ist in den Anfangszeiten die soziale und musische Erziehung junger Menschen nicht zu kurz gekommen. Später hat sie sich einen Namen als Fußballer- und Trainerschmiede gemacht.

Ostfildern - Es war der Nachmittag des 24. Mai 1948, ein Montag, an dem die Jugendleiterschule Ruit im Rahmen einer bescheidenen Feierstunde eröffnet wurde. Und es war gleichzeitig der Tag, an dem sich der Charakter jene Geländes grundlegend verändern sollte, das vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs für die nationalsozialistische Luftfahrtforschung genutzt worden war. „Statt Militarismus und Feinddenken wurde fortan das friedliche Miteinander unterschiedlichster Menschen und Interessen praktiziert“, schreibt der Ostfilderner Stadtarchivar Jochen Bender in seinem Vorwort zum 1995 herausgegebenen zweiten Band der Schriftenreihe des Stadtarchivs, der sich mit der Geschichte der Jugend- und Sportleiterschule befasst.

Demokratische Ideale für die Jugend

Groß war nach dem Krieg das Bestreben, der Jugend demokratische Ideale zu vermitteln. Nicht nur durch die Jugendverbände und den Staat, sondern auch durch die amerikanische Militärregierung, die ihre Aufgabe darin sah, die jungen Deutschen zu Demokratie und Toleranz umzuerziehen. Zunächst wurde die Schule, in der das Miteinander von allgemeiner Jugendarbeit und Sport gepflegt wurde, aus US-Mitteln finanziert. Nach dem Abzug der Amerikaner im Jahr 1952 waren es Toto-Gelder, staatliche Zuschüsse und Kursgebühren, die die Einrichtung finanziell über Wasser hielten.

Schnell entwickelte sich der „Ruiter Geist“ in der Sportschule, deren pädagogisches Reformprogramm vom toleranten Miteinander verschiedener Menschen, Meinungen und Interessen geprägt war. Es gab keinen Sportlehrgang ohne politische Diskussionen, keine Tagung einer Jugendgruppe ohne die tägliche Sportstunde. „Box-Sportler sangen morgens mit Mädchen der Landjugend im Kanon, und beim ,Abend der Begegnung’ führten Kunstturnerinnen gemeinsam mit Metzgerlehrlingen Sketche auf“, heißt es in einer Chronik der Sportschule.

Die Einrichtung musste sich in den 1960er-Jahren freilich neu orientieren, als sich die Jugendverbände zunehmend in die eigenen Reihen zurückzogen. Dem Begegnungscharakter tat dies keinen Abbruch, denn neben dem Leistungs- und Vereinssport wurde nun auch der Sport für sozial und körperlich Schwächere entwickelt. Schon Mitte der 1960er-Jahre gab es offene Angebote für Jugendliche, Behinderte und – erstmalig in Deutschland – Sport speziell für Senioren. Im Jahr 1964 wurde die Sportschule des Württembergischen Fußballverbands (WFV) in das Gelände integriert. Die Schule machte sich nun vor allem als Fußballer- und Trainerschmiede einen Namen. Die Bundestrainer Sepp Herberger und Helmut Schön waren zu Gast, National- und Vereinsteams aus dem In- und Ausland wurden auf Trab gebracht. Beispielsweise wurde dort der Fußballprofi Uli Hoeneß „entdeckt“, und Ottmar Hitzfeld absolvierte seinen ersten Trainerlehrgang.

Eine Schule der Toleranz

Seit 1948 haben sich mehr als eine halbe Million junger Menschen in der Sport- und Jugendleiterschule getroffen. Der wohnte stets eine herausragende gesellschaftliche Funktion inne: in den frühen Jahren als „Schule der Toleranz“, später als Vorreiterin für den sozial orientierten Sport und heute als bekannte Sportschule.

Die wahrlich nicht auf der Stelle tritt. Denn der zukunftsweisende Neubau für ein zentrales Campusgelände soll noch in diesem Jahr eingeweiht werden. Er ersetzt dann die drei sogenannten Fußballhäuser aus den 1950er-Jahren.