FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke vor dem durch zusätzliche Polizisten gesicherten Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat den Strafprozess gegen acht Osmanen besucht. Danach spricht er von Parallelgesellschaften in Deutschland.

Stammheim - Bei seinem Besuch des Osmanen-Strafverfahrens in Stuttgart-Stammheim hat FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke den Eindruck gewonnen, „dass sich da in unserem Land Parallelgesellschaften bilden“, die ein beachtliches und kriminelles Gewaltpotenzial aufwiesen. Der Liberale warnte davor, die Osmanen versuchten, ihre eigene Rechtsordnung und ein eigenes Justizsystem mit Gewalt durchzusetzen.

In der Verhandlung hatten die drei Berufsrichter und zwei Schöffen einen heute 19-jährigen jungen Mann befragt, der Ende 2016 zusammen mit zwei Freunden der Gruppierung beigetreten war. Das Trio suchte damals einen Boxclub. Bei ihrem ersten Treffen mit den Osmanen in Altbach bei Esslingen erlebten die drei Männer dann, wie ein Aussteiger brutal misshandelt wurde.

Der junge Mann – damals 17 Jahre alt – berichtete mit klarer, fester Stimme, dass er und seine Freunde daraufhin die Osmanen Germania so schnell wie möglich verlassen wollten. Als sie dies über einen Mittelsmann dem Vizepräsidenten der Stuttgarter Sektion der Osmanen, Mustafa Kilinc, mitteilten, seien sie am 29. Januar vergangenen Jahres in die Gaststätte Kronenstüble in Dettingen beordert worden. Hier seien sie von den anderen Osmanen unter dem Kommando Kilincs gut vier Stunden lang malträtiert und blutiggeschlagen worden.

Osmanen sollen vom Verfassungsschutz beobachtet werden

Sie hätten zudem auf eine Fahne der kurdischen Arbeiterpartei PKK – die in Deutschland als Terrorgruppe eingestuft wird – urinieren und sich erbrechen müssen. Dies sei von den Osmanen mit Handys gefilmt worden.

Rülke sah nach dem Prozessbesuch die Politik in der Pflicht „diese Dinge genau zu untersuchen“. Es reiche nicht aus, den Osmanen Germania Boxclub als kriminelle Organisation zu betrachten. „Es ist notwendig aufzudecken, wie sind ihre Kontakte zur Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD). Wie sind ihre Kontakte in die Türkei hinein.“ Deshalb forderte der Chefliberale im baden-württembergischen Landtag erneut, die Osmanen vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Dies geschieht bereits seit mehr als drei Jahren in Hessen. Ausschlaggebend dafür war, dass die dortigen Sicherheitsbehörden Telefonate mitschnitten und Treffen observierten, die engste Kontakte zwischen Metin Külünk, Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP und enger Vertrauter des türkischen Präsidenten Recep Tayyib Erdogan, mehreren UETD-Vorsitzenden im Rhein-Neckar-Raum sowie der Führungsspitze der Osmanen Germania nachwiesen. Külünk hatte den Osmanen mehrmals – auch über UETD-Funktionäre – Geld für Waffenkäufe zukommen lassen. Die Osmanen sicherten mehrfach Veranstaltungen der UETD – auch in Stuttgart – ab. Der Verein gilt als Lobbyorganisation der AKP.