Bei einer Exkursion nach Norwegen erkunden Kreisräte mit dem Landrat ein supermodernes Krankenhaus. Es wurde als eines der ersten in Europa komplett digital geplant und soll als Vorbild für die Flugfeldklinik dienen.
Oslo/Böblingen - Was man im Kreis Böblingen noch vor sich hat, die Zusammenlegung von Kliniken zu einem zentralen Krankenhaus, hat man in der südnorwegischen Provinz Ostfold bereits hinter sich. Vier Krankenhäuser wurden dichtgemacht. Ersetzt wurden sie durch eine vor neun Monaten eröffnete moderne Großklinik mit 700 Betten in der Mitte der Provinz. Und diese Klinik wurde als eine der ersten in Europa mit dem innovativen Konzept des Building Information Modeling (BIM) geplant und gebaut.
Dieses digitale Planungstool, das als Methode der Zukunft gilt, möchte auch der Kreis für die neue Klinik auf dem Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen nutzen. Deshalb reiste jüngst eine 25-köpfige Delegation aus Böblingen nach Ostfold, darunter Kreisräte aller Fraktionen, neben dem Landrat auch andere Mitarbeiter des Landratsamtes sowie Vertreter des Klinikverbunds Südwest und drei Journalisten der örtlichen Zeitungen.
Wie sind die Norweger beim Bau vorgegangen? Welche Vorteile bringt das BIM im Vergleich zum traditionellen Bauen? Und welche Risiken und Gefahren birgt es? „Wir würden kein Krankenhaus mehr anders planen“, stellte Tore Dag Olsen klar, einer beiden Projektmanager für den Klinikbau in Ostfold. Die Vorteile aus seiner Sicht: „Für einen solch komplexen Bau braucht man nach der herkömmlichen Methode 6000 Baupläne. Bei jeder noch so kleinen Änderung müssen sie das in alle 6000 Pläne einfügen. Beim BIM gibt es ein virtuelles Modell, mit einem Klick arbeiten sie die Änderung ein.“
Als „fünf-dimensionales Modell“ bezeichnet der Osloer Bim-Experte Kjell Ivar Bakkmoen die Methode. „Sie haben als weitere Dimensionen die Kosten und die Zeit.“ So würde bei jeder Änderung – zum Beispiel der Einbau anderer Türen als vorgesehen – auch gleich die Mehrkosten und die Auswirkungen auf die Bauzeit angezeigt. So ließen sich Zeit- und Kostenschätzungen viel präziser machen.
Das ist laut dem Böblinger Landrat Roland Bernhard auch eines der Hauptargumente für das BIM als Planungsmethode bei der Flugfeldklinik. „Wir wollen weg von dem Image, dass jeder öffentliche Bau viel teurer als geplant und die Bauzeit viel länger wird.“ Die Norweger blieben nicht nur im Kostenrahmen, sondern unterschritten die Bauzeit sogar um ein halbes Jahr. Insgesamt fünfeinhalb Jahre dauerten Planung und Bau vom Beschluss bis zur Eröffnung des Krankenhauses.
Ein weiterer entscheidender Vorteil des BIM-Systems ist für den norwegischen Projektmanager Olsen die frühe Einbindung der Mitarbeiter. Denn das digitale Modell – letztendlich nichts anderes als eine riesige Datensammlung – ermöglicht auch eine Visualisierung des Gebäudes, die sich kaum vom realen Haus unterscheidet. So konnten Ärzte, Schwestern, Ergotherapeuten und Laborkräfte bei der Gestaltung und der Einrichtung ihres Arbeitsplatzes mitwirken. Wie sollen Operationssäle und Notaufnahme miteinander verbunden werden? Wo im OP sollen welche Geräte hin, damit die Wege möglichst kurz sind? Wie sieht die optimale Station zur Versorgung der Patienten aus? Jedes Detail konnten die Angestellten bereits im Vorfeld am Bildschirm planen.
Das Ergebnis ist eine schlichte, vor allem auf Funktionalität ausgerichtet Klinik. Statt langer Flure gibt es kleine Stationseinheiten. Um ein Stationszimmer herum gruppieren sich neun Einzelzimmer – Schwestern und Ärzte haben so kurze Wege. Integriert ist ein Speiseraum, in dem die Patienten ihre Mahlzeiten einnehmen können, wenn sie Gesellschaft wünschen. Gespart hat man in der Klinik bei der Ästhetik. Unverputzte Wände im Treppenhaus scheinen niemanden zu stören.
Die Klinik leistet sich mit Jarl Schjeruerud einen eigenen Software-Entwickler, der ausschließlich digitale Projekte umsetzt. Er schuf aus den Daten des BIM-Modells ein bisher weltweit einzigartiges Computerspiel, mit dem alle Mitarbeiter bereits vor dem Umzug in den Neubau das Gebäude und ihren speziellen Einsatzort genauestens kennenlernen konnten. Von der Eingangstür führt das Spiel durch das gesamte Krankenhaus, dabei müssen die Spieler bestimmte Aufgaben erfüllen, für die es Punkte gibt. „Jeder neue Mitarbeiter, der bei uns anfängt, wird nun so in seine Arbeit eingeführt“, erklärt Schjeruerud den Nutzen der Software.
Die Deutschen sind beeindruckt: Auch wenn nicht alles aus der norwegischen Klinik eins zu eins kopiert werden könne – so wird es auf dem Flugfeld sicher keine Einzelzimmer als Standard geben –, könne man vieles mitnehmen, so das einhellige Fazit. Besonders imponierte den Böblingern der Nachhaltigkeitseffekt der digitalen Methode: Man kann das BIM-Modell auch zur Wartung des Gebäudes nutzen.