Ron Howard zählt zu den großen Hollywood-Regisseuren. Nun hat er mit 59 in Europa „Rush“ gedreht, einen Film über den früheren Formel-1-Weltmeister seine Rivalität zu James Hunt und seinen schweren Unfall.
Mr. Howard, hat Ihnen Deutschland gefallen?
Was den Film angeht, habe ich durchweg absolute Professionalität erlebt. Was das Land angeht, habe ich eine Biersorte entdeckt, die ich besonders mag, aber ich will niemanden verärgern und verrate nicht, welche. Wir haben auf beiden Seiten der Familie deutsche Vorfahren, vielleicht habe ich mich deshalb sofort wohlgefühlt. Wie die Leute reden, zuhören, ihr Leben einrichten, das hat mich an mich selbst erinnert.
„Rush“ ist eine europäische Independent-Produktion mit einem für Ihre Verhältnisse kleinen Budget – was hat Sie daran gereizt?
Das starke Skript meines Freundes Peter Morgan, eine Geschichte über die Rivalität zweier Männer, Niki Lauda und James Hunt. Außerdem hatte ich kreative Freiheit und konnte vermeiden, was wir den „Hollywood-Ansatz“ nennen. Finanziell war es sportlich, aber alle haben mitgezogen.
Dass Sie sich darauf eingelassen haben, spricht für Ihre Leidenschaft . . .
Meine Frau versucht, mich dazu bringen möchte, diese Leidenschaft besser zu kontrollieren. (lacht) Als ich zum ersten Mal zum Nürburgring kam und wir ein historisches Formel-1-Rennen gefilmt haben, war ich sofort begeistert. Es reizt mich, in eine Welt einzutauchen, über die ich nichts weiß.
Es ist mutig, deutsche Schauspieler im Film deutsch sprechen zu lassen.
Es mag aus kommerzieller Sicht riskant sein, aber für die Integrität des Films war es wichtig. Natürlich haben Verleiher und andere gefragt, ob wir nicht Amerikaner oder bekannte Briten nehmen können, aber das wollten wir nicht. Ich sehe darin eine Chance, durch die Besetzung wirkt der Film nicht formelhaft. Ich hatte über die Jahre viel Glück mit solchen Sachen. In „Cocoon“ ging es um Rentner, da haben viele abgewunken. Bei „Splash“ sagten die Leute: Eine Meerjungfrau? Vergiss es! Und auch bei „A Beautiful Mind“ war es schwierig – wer will schon Schizophrene auf der Leinwand sehen?
Wie lenken Sie die Schauspieler?
Ich bin nicht manipulativ, kein Machiavelli, sondern direkt und klar. Ich bin selbst Schauspieler, ich verstehe die Probleme und Herausforderungen, aber auch, wozu sie in der Lage sein sollten und was sie brauchen, um richtig gut zu sein. Das war hier besonders wichtig, denn das ist für mich kein Rennfahrerfilm, die Charaktere stehen im Mittelpunkt. Wichtiger als alle Rennszenen war mir, diese Charaktere zum Leben zu erwecken, dass sie fesseln und unterhalten, dass sie wahrhaftig wirken und nuanciert.
Wie war die Arbeit mit Daniel Brühl?
Er hat große Ausstrahlung, er ist ein Typ wie Daniel Day-Lewis, ein Künstler, ehrgeizig, kreativ, fleißig. Interessante Rollen werden auf ihn zukommen, denn er spricht viele Sprachen und kann mit Akzenten spielen – unglaublich, wie er Niki Lauda imitiert.
Wie hat Lauda auf das Projekt reagiert?
Er kennt Peter Morgan schon lange, und ihm hat der Fokus auf die Rivalität gefallen. Er war dann als Berater dabei, hat uns viele Einblicke gegeben. Ich habe immer Berater, bei „Apollo 13“ für die Raumfahrt, bei „Cinderella Man“ für den Boxsport. Wenn ich mich in so eine Welt begebe, möchte ich sie möglichst wahrhaftig abbilden.
Kennt man in den USA die Formel 1?
Sie ist bekannter als Cricket, aber kein großes Thema. Ich selbst habe erst durch den Film entdeckt, wie komplex dieser Sport ist und wie viel Strategie darin steckt. Den Namen Niki Lauda kennt aber fast jeder, und wer alt genug ist, hat damals die Bilder vom Nürburgring gesehen. Das menschliche Drama ist universell – Sportjournalisten haben Niki Laudas Comeback in die Top Ten der großen emotionalen Sportereignisse des 20. Jahrhunderts gewählt.
Wäre „Rush“ Hollywood-tauglich gewesen?
Ja, aber es wäre schwierig geworden. Ich hätte mit den Studioleuten Diskussionen über die Besetzung führen müssen und über die Altersfreigabe. So konnte ich einen Film für Erwachsene nach meinen Vorstellungen machen, und alle haben das unterstützt.
Man hört oft, in den Studios säßen immer weniger Filmverrückte und immer mehr Buchhalter – wie sehen Sie das?
Das stimmt so pauschal nicht. Die meisten dort lieben Film, aber sie müssen Gewinn erwirtschaften, die haben heute ja auch Aktionäre. Viel gravierender ist der Paradigmenwechsel durch Internet und digitale Technik. Er verunsichert viele, die Spielräume sind momentan sehr eng. Ich könnte aber nicht in den Spiegel schauen und sagen: Sie wollen nur noch 3D-Roberfilme und Figuren, die Stretchhosen tragen, also mache ich eben nur noch das. Ich möchte meinen Spielraum nicht einengen, sondern erweitern.
Welchen Ihrer Filme mögen Sie am liebsten?
Wenn ich das beantworte, sind die Leute immer enttäuscht. Sie kennen nur den fertigen Film, bei mir hängt viel mehr dran. Mal war das Drehen unangenehm, mal habe ich eigene Erwartungen nicht erfüllt. Also sage ich dazu nichts mehr und arbeite einfach weiter.
Sie gehören zu den „Final Cut“-Regisseuren mit alleiniger Entscheidungsgewalt im Schneideraum – wer bewahrt Sie vor Irrtümern?
Testvorführungen. Was mich am Stoff bewegt kommt schon in der ersten Schnittfassung zum Ausdruck, und das gebe ich auch nicht auf – aber ich arbeite so lange daran, bis ich die Leute wirklich fessle. Das ist wie mit Geschichten über die Familie oder eine wilde Nacht: Wenn man sie zum ersten Mal erzählt, ziehen sie sich noch, aber beim fünften Mal sind sie dann schon ziemlich witzig.
„Rush“ ist ab 12 Jahren freigegeben und läuft in Stuttgart in den Kinos Gloria, Metropol und Ufa