Oscar Pistorius ist wegen Mordes zu sechs Jahren Haft verurteilt. Foto: AP

Die Staatsanwaltschaft im südafrikanischen Pretoria will den ehemaligen Spitzensportler Oscar Pistorius länger hinter Gitter sehen. Die Verurteilung zu sechs Jahren sei „schockierend milde“, sagte der Staatsanwalt am Freitag.

Johannesburg - Die südafrikanische Staatsanwaltschaft will den früheren Spitzensportler Oscar Pistorius zu einer längeren Haftstrafe verurteilt sehen. Die Verurteilung wegen Totschlags zu nur sechs Jahren Haft sei „schockierend milde“, daher sei im Interesse der Gesellschaft eine Berufungsverhandlung nötig, sagte Staatsanwalt Gerrie Nel am Freitag vor Gericht in Pretoria. „Die belastenden Umstände wiegen schwerer als die mildernden Umstände“, betonte er. Der unterhalb seiner Knie amputierte frühere Sprinter Pistorius hatte 2013 seine damalige Freundin Reeva Steenkamp erschossen.

Richterin Thokozile Masipa muss über den Antrag auf Berufung gegen das von ihr selbst im Juli verhängte Strafmaß entscheiden. Ob sie ihre Entscheidung noch am Freitag treffen würde, blieb zunächst unklar. Falls sie einer Berufung zustimmen sollte, würde der Fall von einem anderen Richter neu beurteilt.

Verteidigung hält

Das Gesetz in Südafrika sieht für Totschlagsdelikte ein Strafmaß von mindestens 15 Jahren Haft vor. Richter haben jedoch im Fall besonderer, mildernder Umständen Spielraum, eine geringere Strafe zu verhängen. „Es ist schockierend, bei einem Ausgangspunkt von 15 Jahren eine Strafe von nur sechs Jahren Haft zu verhängen“, sagte Nel. Pistorius’ Verteidiger Barry Roux hingegen betonte, die Haftstrafe sei angemessen, es gebe keinen Grund für eine Berufung. „Wie könnte man rechtfertigen, den Angeklagten ein drittes Mal der Unsicherheit auszusetzen?“, fragte Roux. Damit würde sein Mandant „wie ein Pingpong-Ball von Gericht zu Gericht gestoßen.“

Fünf Jahre in erster Instanz., sechs Jahre in zweiter Instanz

Der 29-Jährige frühere Sprinter tötete Steenkamp am Valentinstag 2013 in seinem Haus durch eine geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen. Er beteuerte stets, Einbrecher hinter der Tür vermutet zu haben. Staatsanwalt Nel betonte jedoch, dass Pistorius bislang keine plausible Erklärung dafür gegeben habe, wieso er ohne Warnung durch die Tür geschossen habe. Selbst wenn er geglaubt habe, auf einen Einbrecher zu zielen, sei dem geübten Schützen die mögliche Todesfolge seiner Schüsse klar gewesen, sagte Nel. „Der Tod der Person hinter der Tür war für ihn ein klares und offensichtliches Ergebnis seiner Handlung.“

In erster Instanz wurde Pistorius 2014 wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Pistorius wurde schon nach Absitzen von rund einem Jahr Haft in den Hausarrest entlassen. Den verbrachte er in der Luxusvilla seines Onkels in Pretoria. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Berufung ein und erzielte Ende 2015 in zweiter Instanz eine Verurteilung wegen „Mordes“. Der Tatbestand entspricht im deutschen Rechtssystem dem Totschlag. Daraufhin verhängte Richterin Masipa im Juli das neue Strafmaß von sechs Jahren Haft. Seither ist Pistorius erneut in Pretoria inhaftiert.