Die alte Oscar-Paret-Schule (OPS) in Freiberg am Neckar ist nach diesem Schuljahr Geschichte. Zum Abschied wurde gefeiert – und in Erinnerungen geschwelgt.
Jeder Schüler kennt diese Tage, an denen man einfach nicht aus dem Bett möchte. Sei es, weil man weiß, dass man zu wenig für einen Test gelernt, die Hausaufgaben nicht gemacht hat – oder das Hassfach auf dem Stundenplan steht.
An diese Momente werden einige der Ehemaligen, die sich an diesem Samstag von der altehrwürdigen Oscar-Paret-Schule (OPS) in Freiberg/Neckar (Kreis Ludwigsburg) verabschiedet haben, sicherlich auch gedacht haben. Die Freude über das Wiedersehen mit alten Freunden und Bekannten überwog aber deutlich. „Wer geht schon gern in die Schule?“, sagt Christiane Hallmann, Abijahrgang 1987. Gekommen ist sie am Samstagvormittag trotzdem, um langjährige Freunde zu sehen – und auch ein bisschen in Erinnerung zu schwelgen.
Die alte OPS war keine Schönheit
Jüngere Jahrgänge haben alte Klassenbücher mitgebracht, manche wollen sich auch einfach nochmal ihren alten Platz, an dem vor ihnen schon tausende Schülerinnen und Schüler gebüffelt haben, anschauen, bevor es das alles bald nicht mehr gibt.
Der einst aus Stahlbeton errichtete Skelettbau ist abbruchreif – er kommt weg. Anfang August schwingt der Bagger im hinteren Teil die Abrissbirne. Nach den Sommerferien beginnt der Unterricht in dem fast 80 Millionen teuren Neubau. Ausgerechnet der älteste Teil der alten Schule – die Front zum Marktplatz hin –, wird am längsten stehen bleiben. Nach fast 50 Jahren hat der Bau aber als Schule ausgedient: Schluss, aus die Maus.
Für Bernhard Joos, der sein komplettes Berufsleben – von 1982 bis zum Ruhestand vor vier Jahren – an der OPS verbracht hat, schwingt auch ein bisschen Wehmut mit. Joos war „normaler“ Lehrer, stellvertretender Schulleiter und zum Schluss 16 Jahre Schulleiter, insofern ist dieses Gefühl bei ihm nicht verwunderlich. Obwohl das Gebäude, das 1975 errichtet wurde, in erster Linie zweckdienlich, viel Stückwerk – bis 1983 wurde ständig angebaut – und beileibe keine Schönheit war. Die Belüftungsanlage funktionierte eigentlich nie so richtig, mit dem löchrigen Dach und eintretendem Wasser gab es häufig Probleme. Wohlgefühlt haben sich viele aus dem Lehrerkollegium trotzdem, und sind lange geblieben – manche sogar länger als die 36 Jahre von Joos.
Alle unter einem Dach – das große Plus
Dass die OPS immer mehrere Schularten in einem Gebäude vereinte, war für die ein oder andere Lehrkraft bestimmt gewöhnungsbedürftig, aber auch der große Trumpf der Schule. Gegründet worden war sie als „kooperative Gesamtschule“, in der erst nach der sechsten Klasse entschieden wurde, welche Schulart für das Kind die richtige ist.
Als der Bildungsversuch beendet wurde, bekam die Schule im Jahr 1989 auch ihren jetzigen Namen. Dass man seine Kindheitsfreunde auf dem Pausenhof der OPS weiter sehen kann, egal, wie es für sie nach der Grundschule weitergeht, das ist bis heute ein großes Plus für viele der rund 1600 Schülerinnen und Schüler, von denen viele auch aus umliegenden Städten und Gemeinden kommen. Auch bei AGs, Chören oder Theatergruppen wird und wurde nicht zwischen Gemeinschafts-, Realschülern und Gymnasiasten getrennt. „Trennung wo nötig, zusammen wo möglich“, umschreibt Joos das Konzept. Natürlich birgt das auch Konfliktpotenzial. „Aber wir hatten und haben nicht mehr Reibereien als andere Schulen“, sagt der ehemalige Rektor.
Ein legendärer Abischerz begründet eine Tradition
Hans-Joachim Schröter, Jahrgang 1964, gehörte zu den ersten Schülern der OPS. „Außenrum war nix“, sagt der Pleidelsheimer. „Im Endeffekt hätten wir alle Bauingenieure werden sollen, wir sind ja auf einer Baustelle groß geworden.“ Nicht nur die Schule war jung, auch die meisten Lehrer seien das gewesen, erinnert sich Schröter. Was zur Folge hatte, dass er Jahre später als Vater beim Elternabend Lehrern gegenüber saß, die er schon als Schüler erlebt hatte.
Heute undenkbar, durfte damals noch im Lehrerzimmer geraucht werden – und der Glimmstängel war beliebt bei vielen Paukern. „Ob der Lehrer, den man brauchte, da war, das hat man vor lauter Qualm von der Tür aus meistens nicht gesehen“, sagt Schröter. Irgendwann rebellierte der gesundheitsbewusstere Teil des Kollegiums, ein extra „Raucherlehrerzimmer“ sei eingerichtet worden, erinnert sich Joos. Sein Vorgänger Horst Ettrich habe sich dennoch häufig beschwert, dass der Rauch durch die Wände in sein Zimmer ziehe. Ettrich war bekannt dafür, dass er Schülerinnen und Schüler mit barer Münze belohnte, wenn sie achtlos weggeworfen Müll entfernten „Heb das doch bitte mal auf, mein Kind“, pflegte er stets zu sagen.
Legendär ist der Abistreich, den Schröters Jahrgang – der erste der die komplette Schullaufbahn von Klasse 5 bis 13 dort durchlief – auf die Beine stellte. Nachts brachen die Gymnasiasten in die Schule ein, und stellten dort mehrere Autos, die sie vom Schrottplatz geholt hatten, aus. Weil die Treppenhäuser ohnehin saniert wurden zu dieser Zeit, war es ein Leichtes, die Bautüren ins Obergeschoss zu verrammeln. An Unterricht war so nicht zu denken. Die Aktion begründete die lange Tradition einfallsreicher Abistreiche.
2100 Ehemalige kommen zum Fest
So hat sich jeder der rund 2100 Ehemaligen – darunter auch einige Lehrer – am Samstag an seine Schulzeit erinnert. Und sei es nur an den typischen Geruch, der durch die Schulstraße weht oder den charakteristischen Nadelfilz auf dem Boden, über den im Laufe von fast fünf Jahrzehnten die ein oder andere Reinigungskraft höllisch geflucht haben dürfte.
Gerechnet hatte der Freundeskreis OPS, der das Abschiedsfest organisierte, vielleicht mit ein paar Hundert Rückmeldungen. Die Resonanz, die vielen netten Mails hauten Organisatorin Claudia Willy dann aber fast aus den Latschen „Das hatte ich überhaupt nicht erwartet“, sagt sie.
„Nach der Schule verklärt man auch vieles“, sagt Hans-Joachim Schröter. „Aber die Erinnerungen, die hat man ohnehin an die Leute und nicht an das Gebäude.“ Insofern sei der Abriss für ihn wenig tragisch. Selbst Bernhard Joos sagt: „Ich glaube, jeder ist froh über die neue OPS.“