Er hat bereits den Golden Globe geholt, nun ist er auch der erste heißer Anwärter auf den Oscar als bester Hauptdarsteller: Joaquin Phoenix in „Joker“ Foto: dpa/Niko Tavernise

„Joker“, „Irishman“, „1917“ und „Once upon a Time in Hollywood“ gehen als Favoriten ins Oscar-Rennen. Die 92. Verleihung findet Anfang Februar in Los Angeles statt.

Stuttgart - Das Feld ist eng in diesem Jahr, wenige Filme ziehen viele Oscar-Nominierungen auf sich. Die Wandlung des gebeutelten Arthur Fleck zum Superschurken in „Joker“, mit dem der Regisseur Todd Phillips und sein Hauptdarsteller Joaquin Phoenix das Comic-Kino ins Charakterfach überführt haben, ist in elf Kategorien dabei. Dahinter folgen drei Filme mit zehn Nominierungen: Martin Scorseses Oldschool-Mafia-Drama „The Irishman“, Sam Mendes’ Weltkriegs-Plansequenz „1917“ und Quentin Tarantinos Traumfabrik-Farce „Once upon a Time in Hollywood“.

Alle vier Werke sind in den Hauptkategorien für den besten Film und die beste Regie nominiert, dasselbe gilt für den Psycho-Thriller „Parasite“ (insgesamt sechs Nominierungen) des Koreaners Bong Joon-ho, in dem sich eine Familie aus der Unterschicht als Dienstboten bei einer wohlhabenden einschleicht. Außerdem als beste Filme im Rennen sind James Mangolds Rennfahrer-Drama „Le Mans 66“, die Nazi-Farce „Jojo Rabbit“ (insgesamt sechs) des Neuseeländers Taika Waititi sowie das Ehedrama „Marriage Story“ (insgesamt sechs) von Noah Baumbach.

Antonio Banderas ist dabei – Robert De Niro nicht

Eines sticht ins Auge und dürfte noch für Diskussionen sorgen: Eine Regisseurin ist nicht nominiert, die einzigen Frauen in einer sehr männlichen Konkurrenz um den besten Film sind die Produzentin Amy Pascal und die Filmemacherin Greta Gerwig mit dem Coming-of-Age-Historendrama „Little Women“ (insgesamt sechs). Saoirse Ronan geht hier als beste Hauptdarstellerin ins Rennen, Florence Pugh als beste Nebendarstellerin. Weitere Hauptrollen-Favoritinnen sind Renée Zellweger, die mit dem Judy-Garland-Biopic „Judy“ schon den Golden Globe holte, Scarlett Johannsson, die in „Marriage Story“ als Schauspielerin die Familie in New York verlässt, und Charlize Theron, die sich im Metoo-Drama „Bombshell“ als TV-Moderatorin mit Kolleginnen gegen den übergriffigen Senderchef zur Wehr setzt.

Bei den Herren ist natürlich der Golden Globe-Gewinner Joaquin Phoenix („Joker“) der Favorit, gefolgt von Leonardo DiCaprio als alternder Serienheld in „Once upon a Time in Hollywood“ – und Antonio Banderas als Filmemacher in einer Sinnkrise in Pedro Almodovars sehr persönlichem Drama „Leid und Herrlichkeit“. Robert De Niro („The Irishman“) wurde überraschend nicht berücksichtigt für seinen stärksten Auftritt seit langem als Mobster-Handlanger in „The Irishman“ – dafür stehen hier Al Pacino und Joe Pesci als beste Nebendarsteller auf der Liste, ebenso wie Brad Pitt als abgehalfterter Stuntman an DiCaprios Seite und Adam Driver als Ehemann in „Marriage Story“. Bemerkenswert ist die Nominierung von Anthony Hopkins (Benedikt XVI.) und und Jonathan Pryce (Franziskus) als beste Haupt- und Nebendarsteller in dem klerikalen Freundschaftsdrama „The two Popes“ des brasilianischen Regisseurs Fernando Meirelles. Bei den Nebenbendarstellerinnen dürfen sich Laura Dern als Scheidungsanwältin in „Marriage Story“ und Margot Robbie als TV-Journalistin in „Bombshell“ Hoffnungen machen.

Ein Franzose forderte die US-Trickstudios heraus

Unter den nominierten Drehbüchern sticht neben einigen der bereits genannten Titel die von Rian Johnson verfasste Detektiv-Komödie „Knives out“ mit Daniel Craig heraus, unter den Kameraleuten Jarin Blaschke, der Willem Dafoes und Robert Pattinsons Psycho-Horror-Duett in „Der Leuchtturm“ bebildert hat. beim Trickfilm konkurrieren die großen Studios Pixar („Toy Story 4“) und Dreamworks („Drachenzähmen leicht gemacht 3“) mit Fortsetzungen, doch es gibt einen ernstzunehmenden Rivalen: Der Franzose Jéremy Clapin hat bei den Festivals in Cannes und Annecy für Aufsehen gesorgt mit seinem Drama „J’ai perdu mon corps“, in dem eine Hand ein Eigenleben entwickelt und den Körper des jungen Mannes sucht, zu dem sie gehört.

Beim besten nicht-englischsprachigen Film ist Almodovár mit „Leid und Herrlichkeit“ ebenso im Rennen wie der Franzose Ladj Ly, er überträgt in „Les misérables“ Victor Hugos Roman von 1862 über das Elend in der Pariser Vorstadt Montfermeil ins Jahr 2005. Die deutsche Regisseurin Nora Fingscheidt scheiterte mit ihrem Drama „Systemsprenger“ bereits Mitte Dezember in der Vorauswahl. Beim Dokumentarfilm hat die dänisch-deutsche Co-Produktion „The Cave“ („Die Höhle“) Chancen, der aus Syrien stammende Regisseur Feras Fayyad widmet sich darin den unschuldigen zivilen Opfern des Krieges in seinem Heimatland.

Die 92. Oscar-Verleihung findet am 9. Februar in Los Angeles statt – für deutsche Zuschauer wegen der Zeitverschiebung wie üblich mitten in der Nacht.