Bei der Oscar-Verleihung 2014 trat Harvey Weinstein noch wie gewohnt als unerschütterliche Urgewalt des US-Filmgeschäfts auf. Foto: AP

Harvey Weinstein wird nie mehr mit über die Oscars abstimmen: Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences hat den im Mittelpunkt eines Sexskandals stehenden Produzenten hinausgeworfen. Dabei werde es aber nicht bleiben, verkündet sie.

Hollywood - Als sich der Vorstand von Hollywoods Academy of Motion Picture Arts and Sciences am Samstag zur Krisensitzung traf, hatten die 54 Mitglieder zwei unmögliche Varianten des Handelns zur Auswahl. Sie konnten den schwerer sexueller Übergriffe bezichtigten Produzenten Harvey Weinstein in ihrem Club, dessen 8400 Angehörige über die Oscar-Vergabe entscheiden, belassen – oder hinauswerfen. Der Vorstand, dem auch Whoopi Goldberg, Steven Spielberg und Tom Hanks angehören, entschied sich für Letzteres. Weinstein verdiene den Respekt seiner Kollegen nicht, formuliert eine so kurze wie brisante Stellungnahme der Academy.

Was honorig klingt, wirft viele Fragen auf. Denn klare Benimmregeln oder Verdienstanforderungen für Academy-Mitglieder existieren nicht. Die eilig handgestrickte Weinstein-Lösung steht in krassem Widerspruch zum bisherigen Wegschauen des Filmschaffenden-Clubs bei allen Skandalen. Der TV-Star Bill Cosby, dessen Ruf nach Vorwürfen fortgesetzten sexuellen Missbrauchs restlos ruiniert ist, blieb ebenso Mitglied wie Roman Polanski, dem Unzucht mit Minderjährigen vorgeworfen wird. Lange galt sexuelle Erpressung in Hollywood als reguläre Annehmlichkeit eines männlichen Top-Jobs in der Filmindustrie.

Es wird weitere Ausschlüsse geben müssen

Der Academy-Vorstand scheint sich der Kurswechselsymbolik seiner Entscheidung bewusst. Weinsteins Ausschluss bedeute, verkündet er, „dass die Ära vorsätzlicher Ignoranz und schändlicher Komplizenschaft bei sexueller Beutegreiferei und Belästigung am Arbeitsplatz beendet ist“. Man werde klare Ethik-Richtlinien entwickeln, an die sich Mitglieder zu halten hätten. Ist diese Ankündigung ernst gemeint, wird es weitere Ausschlüsse geben müssen. Sollte sich gar jene Fraktion durchsetzen, die bereits die rückwirkende Aberkennung aller Oscars für Weinstein-Produktionen fordert, müsste die gesamte Academy- und Oscar-Historie auf den Kopf gestellt werden. Eine Diskussion über Geschichtsklitterungen wie in Orwells „1984“ würde dann unweigerlich entbrennen.