Tilman Oasterwold beim Ortstermin in der Stuttgarter Galerie Abt Art Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Auf Einladung der Stuttgarter Galerie Abt Art haben Gabriele und Tilman Osterwold eine Ausstellung zum Verhältnis zwischen Kunst und Religion erarbeitet. Die exklusiven Einblicke für unsere Leser rundete ein Podium mit dem Fotokünstler Roland Fischer ab.

Religion war und ist eine große Anregung für die Kunst. Doch sich direkt mit dem Schöpfer zu messen sollte der Künstler tunlichst unterlassen: „When too perfect lieber Gott böse“, sagte der Videokünstler Nam June Paik einmal, und dies ist auch ein Leitmotiv der Ausstellung „Freude schöner Götterfunken – am Anfang war das Kreuz“ in der Galerie Abt Art. Unter Nam June Paiks Motto diskutierten der Kurator Tilman Osterwold und der Künstler Roland Fischer am Dienstagabend über die spannungsvolle Beziehung von Kunst und Religion und ihre Herangehensweise an Ausstellungsprojekte.

Mit seinen großformatigen Porträtaufnahmen von Mönchen und Nonnen der Zisterzienser und der noch strengeren Trappisten ist Roland Fischer in den 1980ern den Glaubensverfechtern ganz nahe gekommen. Aug in Aug steht man den Mönchen und Nonnen gegenüber; Weisheit und Milde scheinen in den Blicken zu liegen, die aber auch von harter Arbeit, Askese und Kampf mit dem Glauben sprechen. Direkt neben ihnen prangt in der Galerie eines von Fischers großen Kathedralenbildern, in denen er Innen- und Außenräume überblendet – in diesem Fall die Räume des Kölner Doms.

Fotograf Roland Fischer liebt strenge Formen

Wie haben Tilman Osterwold und Roland Fischer zusammen gefunden? „Ich fand es unerhört, was und wie du es machst“, erinnert sich Osterwold. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Mitte der 1980er Jahre die Fotokunst nur wenig präsent war. Die Fotografie beschränkte sich auf ihre Abbildfunktion, was sich erst mit Ausstellungen wie „Blow-Up“ – 1988 von Osterwold als Direktor des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart erarbeitet – änderte.

Schon Jahre vorher begann Roland Fischer mit seinen Aufnahmen. Es waren die strengen Formen des Habits, die Fischer zu seinen Fotografien anregten: „Damals kamen mir die Mönche vor wie wandelnde Skulpturen“, sagt er. Ihn interessierte der Konflikt zwischen diesen idealen Formen, die immaterielle Werte verkörpern, und dem konkreten Menschen. Dabei kam es ihm besonders auf den visuellen Gehalt an, der über die Sprache hinaus weist und auch die Brücke zum Religiösen schlägt. „Das Bild der Gesichter ist eine Metapher für das, was den Menschen ausmacht“, sagt Fischer.

Osterwold, viele Jahre auch für das Klee-Zentrum in Bern aktiv, verwies in dem von Nikolai B. Forstbauer, Kulturressortleiter unserer Zeitung, gelenkten Gespräch auf Paul Klees Bildsprachwelt und deren Rückbezug auf Kant und das „in einem Wort geschriebene“„präzisunpräzise“, das immer wieder neue Assoziationen auslöst: „Wenn diese nie aufhören, hat das Bild eine hohe Qualität“, sagt er. Einen ähnlichen Vorgang setzen bei ihm Fischers Kathedralenbilder in Gang; hier fasziniert Osterwold die Ununterscheidbarkeit zwischen Innen und Außen räumlich oder auch philosophisch-gedanklich betrachtet.

Die Osterwold holen weit aus in ihrem Panorama

Es sind nicht die einzigen Architekturfotografien, die sich in der vielschichtigen Ausstellung „Freude schöner Götterfunken“ finden. Johanna Diehl hat festgehalten, was in den abgeblätterten Farben ehemaliger Synagogen in der Ukraine noch an stiller Spiritualität zu finden ist. Markus Brunetti präsentiert die Front von Gotteshäusern wie dem Dom in Orvieto in mannshohen Fotografien, so dass sie der Malerei nahe rücken. Auch hier deutet sich das Transzendente an, denn sie „erscheinen schon überirdisch schön“ (Osterwold). Gabriela Oberkofler hat den Kirchenraum samt ihrem Heimatdorf kurz entschlossen in einem Akt der modernen Graswurzelbewegung einfach durch Stuttgart transportiert; ihre Kirche besteht aus Holzpaletten.

Auch ein riesiger Altar ist Teil der Schau: Dimitris Tzamouranis’ vieldeutige Arbeit „Melancholia“, die an altmeisterliche Malerei und Fotorealismus erinnert und campende Jugendliche zeigt. Gabriele und Tilman Osterwold holen weit aus – und setzen doch immer wieder auf intensive Dialoge. So begegnen Roland Fischers Mönche und Nonnen im Untergeschoss des dreistöckigen Galeriegebäudes einer der zentralen Zeichnungen der US-Amerikanerin Kiki Smith – „Pietà“, ein Selbstporträt mit ihren toten Katzen, das die tiefe Verbindung von Mensch und Tier unterstreicht.

Auch mit Keith Haring hat Osterwold gearbeitet, und so taucht der früh verstorbene US-Pop-Künstler in dieser Schau mit seiner eher düsteren Seite auf. Religiöse Motive greift Rathbeesh T. in seinem kunterbunten Farbenteppich „Smiling Land“ auf, in dem wild die Figuren in einer Art apokalyptisch-hysterischem Metropolenbildnis durcheinander purzeln. Gerade so, als sei diese Ausstellung nur ein weiterer Anfang, um dem Verhältnis zwischen Kunst und Religion näher und auf die Spur zu kommen. „Und eben darum geht es“, hatte Roland Fischer ja gesagt, „um eine Annäherung. Das gilt auch, wenn ich jetzt dem Eigenwert architektonischer Strukturen nachspüre.“