Die Herren des Veteranen- und Kriegervereins um 1905: In der Mitte der ersten Reihe sitzt der Vorsitzende, der Forstwart Karl Weinstock, im Hintergrund die Standarte. . Foto: Stadtarchiv Leinfelden-Echterdingen

Das ist vielleicht ein Fund: Eine Bürgerin hat dem Stadtmuseum von Leinfelden-Echterdingen die Standarte des anno 1880 gegründeten Veteranen- und Kriegervereins geschenkt. Die Standarte erzählt viel darüber, wie gespalten die Bevölkerung einst war.

Echterdingen - Das Stadtmuseum in Echterdingen hat eine neue Attraktion: die Standarte des 1880 gegründeten Veteranen- und Kriegervereins aus dem Jahre 1891. In Verbindung mit den Vereinsstatuten wirft sie ein Licht auf den Militarismus in der Bevölkerung zwischen 1871 und 1914.

Nach dem Sieg Deutschlands im von Otto von Bismarck angezettelten Krieg von 1870/71 sprossen in Deutschland Krieger- und Veteranenvereine aus dem Boden, auch auf den Fildern. Der andere Echterdinger Krieger- und Militärverein, dessen Fahne schon länger im Heimatmuseum liegt, wurde bereits 1873 gegründet. „Ein Jahr später entstanden solche Vereine auch in Bernhausen, Bonlanden, Möhringen, Obersielmingen, Plattenhardt, Vaihingen und Scharnhausen. Dies belegt ein Artikel aus dem Filderboten“, sagt der Stadtarchivar Bernd Klagholz. Warum es in Echterdingen zwei Vereine von Ex-Soldaten gab, sei bisher unbekannt.

Auf das Treiben des 1880 gegründeten Veteranen- und Kriegervereins ist der Stadtmuseumsdirektor Wolfgang Haug durch ein Foto gestoßen. Es datiert aufs Jahr 1905 und zeigt in drei Reihen 30 ernste Herren in schwarzen Anzügen und mit schwarzen Hüten. Fast alle tragen Orden. Sie sind die Mitglieder des Veteranen- und Kriegervereins, die am 15. Dezember 1905 anlässlich des 25-jährigen Vereinsjubiläums für das Foto posieren. Die Standarte des Vereins wird von einer Medaille geziert, die General von Neidthardt an diesem Festtag daran befestigt hatte. „Ich hatte das Bild studiert, weil mich als Vorsitzender des Vereins Echterdinger Tracht die Kleidung interessiert“, sagt Haug.

Wo war die Standarte auf dem Foto geblieben?

Einige der Männer würden die typische Leiste mit den großen runden Silberknöpfen tragen, mit der man nach der Diskussion im Wirtshaus Gegnern eine Tracht Prügel verpassen konnte. „Einige von ihnen tragen aber auch flache schwarze Knöpfe mit Rosenmuster. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie in Trauer sind.“ Immer wieder hat Wolfgang Haug darüber sinniert, wo wohl die Standarte auf dem Foto geblieben ist: „Vor etwas mehr als einem Jahr hat mich dann eine Echterdingerin angerufen, die namentlich nicht genannt werden will. Sie habe etwas für mich und das Museum.“ Als er bei der Seniorin ankam, zeigte sie ihm die Standarte. „Sie lag sauber eingewickelt in Seidenpapier auf dem Schrank.“ Die Vorderseite trägt die Aufschrift „Veteranen und Kriegerverein Echterdingen“, die Rückseite das Motto des königlich-württembergischen Wappens: „Furchtlos und treu.“

„Allem Anschein nach gab es in Echterdingen gleich zwei Kriegervereine, was ja in zwei unterschiedlichen Fahnen zum Ausdruck kommt. Dies lässt natürlich gewisse Schlussfolgerungen zu, was die Mentalität eines nicht kleinen Teils der Echterdinger Bevölkerung angeht“, sagt der Stadtarchivar Bernd Klagholz. Diese Gedankenwelt eines Teils der Echterdinger spiegelt sich in der Satzung des Vereins, die im Stadtarchiv liegt. Schon in der Einleitung ist zu lesen, dass sich jedes Mitglied unter anderem dazu verpflichte, „den militärischen Geist in einem stets angenehmen Lichte der Gesellschaft vor Augen zu bringen.“ Würden sich später innere oder äußere Feinde zeigen, werde der Verein „eine Truppe liefern, welche auch im bürgerlichen Beruf ihre Militärpflichten nicht aus dem Auge gelassen habe und jedes Mitglied wird gerne dem Rufe zur Fahne folgen, um für Kaiser und Reich, für König und Vaterland sein Leben in die Schanze zu schlagen.“ Der Verweis auf „innere Feinde“ ist ein Indiz für die Spaltung der Gesellschaft schon vor dem Ende des Ersten Weltkriegs.

Ein Hinweis lässt Böses erahnen

Ebenfalls im Vorwort gibt es einen Hinweis, der Böses ahnen lässt: „Aus dem Gesagten ergibt sich von selbst, daß Mitglied des Vereins niemals einer werden kann, welcher einer Gesellschaft oder Partei angehört, wie z. B. der Sozialdemokratie, deren Ziele den monarchistischen Bestrebungen des Württembergischen Kriegerbundes zuwiderlaufen.“ Haben diese Vereine den Nährboden für die Kriegsbegeisterung im Jahre 1914 bereitet? Mit fast drei Millionen Mitgliedern waren sie die größte Massenorganisation des Kaiserreichs, stärker als die Gewerkschaften oder die Sozialdemokratie. „Von der politischen Ausrichtung her waren diese Vereine alle streng monarchistisch und antidemokratisch“, sagt Bernd Klagholz. Dies sei auch nach der Monarchie so geblieben: „Sie gehörten zu den entschiedensten Gegnern der Weimarer Republik. Sie erkannten die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg nicht an und wurden durch ihren übersteigerten Nationalismus und Militarismus zu unfreiwilligen Wegbereitern des NS-Staats.“