Die kleine Opposition im Bundestag kämpft um ihren Einfluss Foto: dpa

Nur rund 20 Prozent der Abgeordneten stellen Grüne und Linke im Bundestag. Damit kann die Opposition für viele Rechte nicht die erforderlichen Quoren aufbringen. Das sorgt für Streit.

Nur rund 20 Prozent der Abgeordneten stellen Grüne und Linke im Bundestag. Damit kann die Opposition für viele Rechte nicht die erforderlichen Quoren aufbringen. Das sorgt für Streit.

Berlin - 31 Stimmen fehlen. Diese 31 Stimmen sind entscheidend dafür, dass Linke und Grüne ihrer Rolle als Opposition praktisch nicht gerecht werden können. Denn Opposition bedeutet in erster Linie: Kontrolle der Regierung.

Zwar steht der Opposition prinzipiell ein großer Werkzeugkasten zur Verfügung, um die Arbeit der Regierung einer ordentlichen Prüfung zu unterziehen. Doch einen Großteil der Werkzeuge darf sie nur nutzen, wenn mindestens ein Viertel aller Abgeordneten dafürstimmt. Bei 631 Abgeordneten im Bundestag wären dies 158 Stimmen. Linke (64) und Grüne (63) stellen zusammen aber gerade mal 127 Parlamentarier. Zu wenig, um einen Untersuchungsausschuss, eine Normenkontrolle oder eine Sondersitzung des Bundestags einzufordern. Zahlreiche Staatsrechtler fordern deshalb eine Verfassungsänderung.

Die Fraktionen von Union und SPD haben der Opposition nun ein neues Kompromiss-Angebot unterbreitet. „Wir können uns durchaus auch eine Verankerung in der Geschäftsordnung des Bundestags vorstellen“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, in Berlin. Damit würde eine Senkung von Quoren etwa für Untersuchungsausschüsse auf vier Jahre begrenzt.

Linke und Grüne fordern hingegen, dass der auf 20 Prozent der Mandate geschrumpften Opposition die Möglichkeit zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen oder zur Überprüfung von Gesetzen durch das Verfassungsgericht gesetzlich garantiert werden. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte zuvor vorgeschlagen, die Rechte nur über einen einfachen Bundestagsbeschluss zu sichern. Im Wesentlichen geht es um folgende Bereiche:

Normenkontrolle: Bei Zweifeln, ob ein Gesetz in Form und Inhalt verfassungsgemäß ist, können Bundestagsabgeordnete den Gang nach Karlsruhe antreten. Für eine solche Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht ist das Votum von mindestens einem Viertel der Abgeordneten notwendig. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Ernst Gottfried Mahrenholz, plädiert für ein Antragsrecht jeder Fraktion und eine entsprechende Grundgesetzänderung. „Ein Privileg der Anrufungsmöglichkeiten für große Fraktionen ist unvereinbar mit der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts“, sagt Mahrenholz. „Insoweit ist es folgerichtig, die Verfassung zu ändern.“

Untersuchungsausschüsse: Untersuchungsausschüsse können mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung oder Fehlverhalten von Abgeordneten, Regierungsmitgliedern oder Beamten aufklären. Zuletzt wurde ein solches Gremium zur Neonazi-Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) oder zum Salzstock Gorleben als mögliches Atommüllendlager geschaffen. Im Bundestag wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, wenn mindestens 25  Prozent der Abgeordneten dies fordern. Der Rechtswissenschaftler Martin Morlok hält es für sinnvoll, diese parlamentarische Hürde auf 20 Prozent abzusenken. „Nur der Untersuchungsausschuss gibt ein Recht auf Selbstinformation der Opposition“, sagt der Parteienforscher von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Man könnte darauf vertrauen, dass die Mehrheit freiwillig sagt, wir geben die nötigen Stimmen mit dazu, damit ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden oder ein Normenkontrollverfahren initiiert werden kann. Aber das erfordert ein gehöriges Maß an Heroismus seitens der Mehrheitsfraktionen.“

Redezeit: Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag könnten auch auf die Debattenkultur im Hohen Haus durchschlagen. Bei einer einstündigen Aussprache entfallen auf Linke und Grüne nach der üblichen Berechnung gerade mal zwölf Minuten. In launigem Ton gab Linke-Fraktionschef Gregor Gysi bereits zu bedenken, die Opposition könne angesichts der vielen Wiederholungen der Argumente der Regierung bereits eingeschlafen sein, ehe ein Abgeordneter aus ihren Reihen ans Rednerpult darf.

Finanzen: Union und SPD wollen den Oppositionsfraktionen mehr Geld zukommen lassen, damit sie ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Regierung besser nachkommen können. Die Fraktionen von Linkspartei und Grünen hätten damit nach ihren Worten jeweils und pro Jahr etwa 300 000 Euro mehr zur Verfügung, „um die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Lambrecht. Allerdings verteilen die Koalitionäre damit nur Steuergeld. Das könne mehr Oppositionsrechte nicht ersetzen, meinen die Grünen. „Damit die Opposition ihre verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllen kann, müssen in aller erster Linie ihre parlamentarischen Rechte gesichert werden“, betont Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. „Wir lassen uns diese Rechte nicht abkaufen.“