Maren Deninger ist Fan des Baritons Thomas Hampson. Trotz ihrer 91 Jahre reist sie zu seinen Auftritten in aller Welt. Diese Woche war sie bei der Opernwerkstatt in Waiblingen dabei.
„Das ist er“. Der Gedanke ist Maren Deninger durch den Kopf geschossen, als sie zum ersten Mal den US-amerikanischen Bariton Thomas Hampson im Fernsehen erlebte. „Beim Zappen durch die Programme tönte mir plötzlich diese wunderbare Stimme entgegen.“ Das ist 30 Jahre her. Maren Deninger war damals Anfang 60 und seit Längerem auf der Suche nach einem Sänger, der sie so beeindrucken konnte, wie es der junge Dietrich Fischer-Dieskau vermocht hatte. Endlich hatte sie seinen Nachfolger gefunden.
Anders als im Fall von Fischer-Dieskau ist die Faszination für Thomas Hampson bei Maren Deninger nach drei Jahrzehnten nicht kleiner geworden. Und so war es selbstverständlich, dass sich die Mainzerin trotz ihrer 91 Jahre am Dienstag in den Zug gesetzt hat und nach Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) gereist ist. Dort endet an diesem Samstag mit einem Abschlusskonzert die 6. Internationale Opernwerkstatt – ein Meisterkurs für Nachwuchstalente, den die Sopranistin Melanie Diener und Thomas Hampson gemeinsam leiten.
Maren Deninger besucht auch Meisterkurse anderswo, aber bei der Waiblinger Opernwerkstatt fühlt sie sich besonders wohl: „Das Personal ist interessiert und freundlich, es geht familiär und dennoch professionell zu.“ Dickes Lob gibt es für die Projektleiterin Brigitta Diel – „die tüchtigste und liebenswürdigste Organisatorin“. Als Zuhörerin bei Meisterkursen habe sie „unheimlich viel gelernt“, sagt Deninger.
Die Oper war anfangs gar nicht so ihr Ding – das von Thomas Hampson übrigens auch nicht. Sie war eine begeisterte Hörerin von Liedern, er ein begeisterter Liedsänger. Erst später habe sich Hampson mehr dem Opernrepertoire zugewandt, sagt Maren Deninger, deren anfängliche Kenntnis sich auf drei Mozart-Opern – „Zauberflöte“, „Cosi fan tutte“ und „Figaros Hochzeit“ – beschränkte.
Anwalt oder Sänger? Eine Nonne überzeugte Hampson
Das ist lange her. Seitdem hat Maren Deninger sämtliche Hauptstädte Europas und deren Opernhäuser besucht und sich viel Wissen zu Opern angelesen. Und sie hat 2008 ein Buch über „Thomas Hampson in seinen schönsten Opernrollen“ veröffentlicht. Im biografischen Vorwort erfährt die Leserschaft zum Beispiel, dass der aus einem musikalischen Haushalt stammende Hampson ursprünglich Politiker oder Anwalt werden wollte. Eine Nonne überzeugte ihn aber davon, Gesangunterricht bei ihr zu nehmen, und brachte ihn mit deutschem und französischem Liedgut in Kontakt.
Große Begeisterung für Thomas Hampson
„Es gibt Sänger, die gehen auf die Bühne und man hat das Gefühl, da ist ein Sänger, der ein Lied vorträgt. Bei Thomas Hampson hat man das Gefühl: Da oben spricht jemand als Mensch zu einem“, sagt Maren Deninger. In die Internationale Opernwerkstatt nach Waiblingen sei sie anfangs vor allem gekommen, um herauszufinden, „wieso ich von Hampson so begeistert bin und von anderen nicht“. Es ist wohl die Mischung aus all dem, was ihr zu dem Sänger einfällt: die natürliche Stimme, die „makellose Technik“, die Bühnenpräsenz, der Witz. Die Fähigkeit, in eine Rolle zu schlüpfen und den Charakter überzeugend zu verkörpern. Die Art, wie er junge Talente unterrichtet und motiviert. Und dass der Bariton auf der Liste der „25 most beautiful People of the world“ landete, spielt vermutlich auch eine Rolle.
Seit sie ihn in Zürich zum ersten Mal live gesehen und getroffen hat, ist Thomas Hampson fester Bestandteil in Maren Deningers Leben. Sie war bei Auftritten in Philadelphia, New York und Chicago, hat den Bariton in San Francisco und Toronto erlebt. Wenn sie schon mal da ist, besucht sie zwei, drei Vorstellungen in Folge. Im April ist sie nach Montreal gereist – eine Gelegenheit, Familienangehörige zu besuchen, denn ihre Eltern wanderten Anfang der 1950er Jahre mit den acht Kindern nach Kanada aus. Maren kehrte später nach Deutschland zurück, heiratete einen musikbegeisterten Mann, der sehr gut Klavier spielte, aber als Chemiker arbeitete, und wurde vierfache Mutter.
In Premieren geht sie grundsätzlich nie
Was Opernbesuche angeht, hat Maren Deninger klare Grundsätze: „Ich gehe nie in die Premiere, denn da sind die besten Plätze für die Kritiker reserviert. Außerdem sind die Sänger nervöser, und es passieren eher Fehler.“ Wenn sie in die Oper geht, sitzt sie immer ganz vorne: „Weil ich die Körpersprache und den Ausdruck sehen will.“ In ihrer Handtasche stecken stets eine Packung Lutschpastillen für den Hals und ein gefaltetes Baumwolltuch, mit dem sich Huster diskret dämpfen lassen. Nach der Vorstellung geht es natürlich Backstage. Und während die meisten Fans ein Autogramm von Thomas Hampson haben möchten, freut sich Maren Deninger auf eine kurze Unterhaltung mit ihm.
Klar, dass sie beim Abschlusskonzert an diesem Samstag dabei ist. Übernächste Woche fährt sie zu einem Meisterkurs nach Heidelberg, und im Februar wird sie nach Paris reisen, wo Thomas Hampson in der Opéra Bastille in „Nixon in China“ in der Hauptrolle auftritt. Die Karten für zwei Vorstellungen sind gebucht. Moderne Opern seien zwar eigentlich nicht so ihr Ding, sagt Maren Deninger. Aber für Thomas Hampson macht sie eine Ausnahme.