Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) will die Opernsanierung voranbrimgen Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

An diesem Dienstag wollen Stadt und Land die Opernsanierung in Stuttgart und die Erweiterung des Staatstheater-Areals entscheidend voranbringen. Die Opposition zweifelt, ob das gelingt.

Stuttgart - Im Oktober 2015 ist das Intendanten-Quartett der Staatstheater Stuttgart zu Gast beim Treffpunkt Foyer der „Stuttgarter Nachrichten“ in der Liederhalle Stuttgart. Zentrales Thema des Abends: die seit langem geplante Sanierung des Opernhauses und die Erweiterung des Staatstheater-Areals. Die Foyer-Gäste reden Klartext: „Das Opernhaus ist eine hundertjährige alte Dame, und die braucht mehr als ein Lifting“, sagt Opernintendant Jossi Wieler. Und Marc Oliver Hendriks formuliert als Geschäftsführender Intendant: „Vieles, was bei uns tagtäglich passiert, wäre heute nicht mehr genehmigungsfähig. Wir betreiben ein Theater unter dem Schutzschirm des Bestandsschutzes.“

Künstlerischer Neustart im Staatstheater im Herbst 2018

Drei Jahre später lädt unsere Zeitung im Oktober 2018 erneut zu einem Staatstheater-Foyer. Ein „in Deutschland beispielloser Neuantritt“ ist das Thema. Doch der entscheidende Ruck in der seit inzwischen 30 Jahren geführten Debatte um die Sanierung des Opernhauses und die Erweiterung des mit 1400 Mitarbeitern größten Dreispartenhauses der Welt ist mit dem „Neuantritt“ nicht gemeint. Der künstlerische Neustart ist das Thema, haben doch die Oper Stuttgart mit Viktor Schoner, das Stuttgarter Ballett mit Tamas Detrich und das Schauspiel Stuttgart mit Burkhard C. Kosminski neue Intendanten.

Verwaltungsrat will am 5. November „wichtige Entscheidung“ treffen

Die Lust am Aufbruch ist spürbar. Ein Jahr später will die Politik nachziehen: An diesem Dienstag tagt der Verwaltungsrat der Staatstheater – laut Geschäftsordnung unter anderem zuständig für „Beratung und Beschluss über Pläne und bauliche Investitionen für betrieblich notwendige Neu,- Um- und Erweiterungsbauten“. Und dort wollen Stadt und Land ihre Pläne für die weiteren Schritte von Sanierung und Erweiterung vorstellen.

Grüne Ministerin Bauer: „höchste Priorität für das Land“

Für das Land macht Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, noch einmal deutlich: „Die Sanierung der Stuttgarter Oper hat weiterhin höchste Priorität für das Land. Wir werden die Voraussetzungen schaffen, dass die Württembergischen Staatstheater weiter so erfolgreich sein können wie bisher, mit großer internationaler Strahlkraft.“

Stuttgarts OB Fritz Kuhn will punkten

Vor allem für Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) geht es um viel an diesem Dienstag. Im Alleingang hatte er 2018 Planungen für eine Interimsspielstätte für Oper und Ballett im ehemaligen Paketpostamt aus Kostengründen gestoppt. Um in der Verwaltungsratssitzung im November 2018 festzuhalten, Ziel sei, „Ende 2019 eine Gesamtabstimmung in den Gremien von Stadt und Land über das Interim und die Generalsanierung der Oper auf den Weg zu bringen“.

SPD: „Völlig unzureichende Arbeitsbedingungen“

Während die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen im Land und auch die Grünen und die CDU in der Stadt sich vor der Sitzung am Dienstag bedeckt halten, rumort es in den anderen Parteien. „Gerade wegen der völlig unzureichenden Arbeitsbedingungen für viele der 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es wichtig, mit der Sanierung der Oper und dem Neubau des Kulissengebäudes so schnell wie möglich zu beginnen“, betont Martin Rivoir, kulturpolitischer Sprecher der SPD. Und ergänzt: „Zu viel Zeit ist verstrichen. Wir erwarten deshalb von der Stadt Stuttgart einen praktikablen und politisch abgesicherten Vorschlag für ein Interim.“

FDP fordert „endlich belastbare Kostenplanung“

Klare Worte auch von der FDP im Stuttgarter Landtag: „Wir brauchen“, so der kulturpolitische Sprecher Nico Weinmann, „ein belastbares Umsetzungskonzept, sowohl hinsichtlich des Zeitplans, aber vor allem brauchen wir endlich eine belastbare Kostenplanung. Die Haushaltsberatungen im Landtag stehen unmittelbar bevor und noch immer wird in Kostenkorridoren diskutiert, die kaum valide in den Haushalt einzubetten sind.“

Zur Erinnerung: Stuttgarts OB Kuhn hatte das Interim im Paketpostamt bei berechneten Kosten von 116 Millionen Euro gestoppt, zur Gesamtsumme von Opernhaus-Sanierung und Erweiterung des Staatstheater-Areals wird hingegen munter spekuliert. 600 Millionen Euro sind aufgerufen, gerne aber auch 800 oder gar 900 Millionen Euro. So oder so – für die SPD seien „diese Projekte gerade in der heutigen Zeit“ zutiefst öffentliche Aufgaben, sagt Martin Rivoir.

Engagement auch der Wirtschaft gefordert

„Allerdings“, so Rivoir, „erwarten wir auch ein deutliches Engagement der Wirtschaft.“ Denn die Qualitätskultur, die an den genannten Häusern geboten werde, sei ein wichtiger Standortfaktor, insbesondere bei der Gewinnung von Fachkräften in Konkurrenz zu anderen Standorten wie Berlin, Hamburg oder München.

AfD sieht „übermäßig hohe Sanierungskosten sehr kritisch“

Und wie sieht die AfD als größte Oppositionspartei im Stuttgarter Landtag die Ausgangslage? „Öffentliche Gebäude zu erhalten ist Aufgabe des Landes oder der entsprechenden Kommune. Die Finanzierung muss demzufolge sichergestellt werden“, sagt der kulturpolitische Sprecher Rainer Balzer. Für Balzer ist klar: „Die Aufgaben werden mittels Ausschreibung vergeben, die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen sind einzuhalten. Von daher ist die Bauaufgabe der Sanierung des Staatstheaters nicht zu hinterfragen. Die Sanierung soll angemessen und mit hoher Qualität durchgeführt werden.“ Balzer zieht für die AfD aber auch eine klare Grenze: „Sehr kritisch“, sagt er, „sehen wir natürlich übermäßig hohe Sanierungskosten im Bereich der Staatstheater Karlsruhe und Stuttgart. Es ist für keinen Bürger verständlich, warum die Planungen für Baumaßnahmen so ungenau sind, dass die Überschreitung um den Faktor zwei heutzutage schon als fast normal erscheinen.“

Parlamente in Land und Stadt entscheiden

Es steht viel auf dem Spiel, wenn Stadt und Land an diesem Dienstag ihre Sanierungskonzeption vorstellen und der Verwaltungsrat der Staatstheater die nächsten Planungsschritte beschließt. Entschieden wird die Zukunft des Littmann-Baus letztlich jedoch im Gemeinderat und im Landtag. Die Parlamente bewilligen die notwendigen Gelder. Wenn nicht? Dann sichert weiterhin nur der Bestandsschutz den Spielbetrieb.

Opernsanierung in Stichworten

Was? Das Staatstheater Stuttgart ist ein Dreispartentheater (Oper Stuttgart, Stuttgarter Ballett und Schauspiel Stuttgart). Hauptspielstätten sind das Opernhaus (1912 eröffnet) und das Schauspielhaus (im Zweiten Weltkrieg zerstört, 1962 neu eröffnet).

Warum? Mit 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Staatstheater Stuttgart das größte Dreispartenhaus der Welt. Seit fast 30 Jahren gilt eine Generalsanierung der technischen und räumlichen Infrastruktur als unumgänglich.

Wie? Der Staatstheater-Verwaltungsrat hat im November 2018 das „finale Raumprogramm“ verabschiedet – mit einer zusätzlichen Nutzungsfläche von 10 450 Quadratmetern. Erreicht werden soll dies auch durch den Abriss und Neubau des Werkstatt- und Kulissengebäudes an der Adenauer-Straße. Technisches Herzstück im Littmann-Bau soll eine Kreuzbühne sein – für eine deutlich flexiblere Nutzung im Wechsel von Proben und Aufführungen.

Wohin? Oper und Ballett benötigen während der Sanierung des Opernhauses (bis zu fünf Jahre) eine Ersatzspielstätte mit 1200 Zuschauerplätzen. Für deren Planung sind bis zu zwei Jahre vorgesehen, für den Bau ebenfalls. Der Beginn der Arbeiten im Littmann-Bau und auf dem Staatstheater-Areal ist so frühestens 2024 möglich und dürfte mindestens bis 2030 dauern. Für die Gesamtkosten gibt es keine belastbaren Berechnungen. Schätzungen gehen von 600 bis 900 Millionen Euro aus. Stadt und Land müssen als Träger der Staatstheater jeweils die Hälfte bezahlen.