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Übernahme des „Don Giovanni“ aus Bremen wird an der Oper Stuttgart zum Spektakel auf allen Kanälen.

Stuttgart - Es ist das wohl größte Spektakel, das die Oper Stuttgart jemals erlebte: Die Premiere von Mozarts Don-Juan-Oper ist nicht nur live im Schlossgarten zu sehen, sondern wird gleichzeitig auch im SWR-Fernsehen, bei 3-Sat und auf Arte Live Web übertragen – mit prominentem Moderator.

Die Parallelen, denkt man, liegen auf der Hand. „Ich hatte 3000 Frauen – Deutschlands größter Frauenheld packt aus“: Dieses Buch hat Harald Schmidt geschrieben. Am Mittwoch moderiert der 54-jährige Entertainer die SWR-Live-Übertragung von Mozarts „Don Giovanni“ aus der Stuttgarter Oper.. Eine Seelenverwandtschaft? Ach was, winkt Schmidt ab. Der ironische Buchtitel hat mit Mozarts Oper über einen alternden, scheiternden Frauenhelden gar nichts zu tun. Und überhaupt: Bei seiner Moderation werde alles ganz ernst sein. Zumindest bei ihm.

Harald Schmidt moderiert in der Pause

Ironie dürfte sich, glaubt man den Kritikern, die 2010 die Bremer Premiere von Andrea Moses’ „Don Giovanni“-Inszenierung besuchten, vor allem auf der Bühne finden. Auch in der Übernahme der Produktion nach Stuttgart, mit der das Musiktheater am Eckensee seine Spielzeit ausklingen lässt, residiert der Titelheld im „DG-Star-Hotel“, und Leporello zeigt zu seiner berühmten Registerarie eine Handy-Diashow. Wenn Harald Schmidt als Moderator der Übertragung im SWR-Fernsehen immer wieder die Bühne verlässt und die Zuschauer während der laufenden Vorstellung hinter die Kulissen der Produktion schauen lässt, dann wird dies vor allem „informativ“ sein. So jedenfalls sieht es Schmidt selbst, „denn bei diesem Stück Weltliteratur gibt es nichts zu bespötteln“. Für ihn gehe es nur um das Kommentieren des Ablaufs einer Premiere hinter der Bühne: „Wann macht sich die Sängerin bereit, welche Arie kommt gleich, was tut der Komtur zwischen dem Anfang und dem Ende des Stücks, wie erfährt eine Sängerin, die draußen steht, wann sie auftreten muss – all diesen Fragen werde ich nachgehen. Und weil der Sender zwischendurch immer wieder aus der Aufführung wegschaltet, kann ich dann womöglich auch die Garderobenfrau Anna Schäufele fragen, welches ihr Lieblingspublikum ist.“ Schmidt moderiert auch während der 20-minütigen Pause beim Public Viewing im Park – einschließlich kurzer Interviews mit Besuchern.

Harald Schmidt und die Musik: Auch das ist ein Thema. Bevor er sein Talent als Conférencier und als Late-Night-Entertainer (demnächst bei Sky) entdeckte, wurde er in Stuttgart zum Schauspieler ausgebildet. Und davor studierte er in Rottenburg Kirchenmusik – bis er merkte, „dass es da viel zu viele Leute gibt, die viel besser sind als ich. Die haben bei der Aufnahmeprüfung schon Stücke gespielt, von denen ich wusste, dass ich sie nie im Leben würde spielen können.“

Erste Erfahrung als Opern-Conférencier in Bochum

Mit der Oper hat Schmidt allerdings noch nicht viel Erfahrung. Ins Musiktheater mit seinen vielen „Opernsüchtigen, von denen manche die Musik so gut kennen, als hätten sie sie selbst komponiert“, gehe er zwar „hin und wieder, aber dann mache ich am liebsten die Augen zu und genieße die Musik, denn sie ist das Entscheidende. Ich warte als Zuhörer immer auf die nächste bekannte Arie.“

Und die Inszenierungen? In der Oper, behauptet Harald Schmidt, geprägt sicher auch durch seine Erfahrungen als Ensemblemitglied des Schauspiels Stuttgart (2008 bis 2010) erlebe man auf der Szene „weniger Überraschungen“: „Wenn man heute in ‚Die Räuber‘ geht, dann weiß man nicht, ob einem dort vielleicht Hakenkreuze oder nackte Hintern präsentiert werden oder Hakenkreuze auf nackten Hinterteilen. In der Oper kann Ihnen das zwar auch passieren, aber dann haben Sie wenigstens noch die Musik.“

Über sie kam der Moderator auch zu Mozarts „Don Giovanni“ („Man hat ja heute Ähnliches mit Strauss-Kahn. Also so von Frauen verfolgt zu werden, das stelle ich mir ziemlich stressig vor. Die Weiber in dieser Oper geben ja keine Ruhe“). Schon als Klavierschüler musste er das „Reich mir die Hand, mein Leben“ des Titelhelden und dessen so genannte Champagner-Arie in einfachen Bearbeitungen spielen.

Erste Erfahrungen als Opern-Conférencier hat Harald Schmidt bereits im Februar dieses Jahres bei einer konzertanten Aufführung von Mozarts „Figaro“ in Bochum gemacht – „da habe ich wieder richtig gerne mit einem Klavierauszug gearbeitet, das macht mir Spaß.“ Jetzt in Stuttgart will er durch den „Don Giovanni“ hindurchführen „wie durch ein Fußballspiel: Da muss ich spontan reagieren können.“

„Oper im Park“ ist im Schlossgarten zu sehen

Ob er sich dabei auch emotional einbringt? Nein, sagt Harald Schmidt, ein Moderator sollte immer moderat sein. „Ich mag es selbst nicht, wenn ich Emotionen vorgekaut kriege“. Heute werde man als Fernsehzuschauer ja geradezu mit dem Satz gefoltert, etwas sei „Gänsehautfeeling pur“. „Alles ist heute ‚Gänsehautfeeling pur‘: ob einer endlich einen Parkplatz findet oder ob eine Mutter ihr Kind aus dem Kindergarten abholt. Wann ich ‚Gänsehautfeeling‘ habe, möchte ich nicht hören, sondern für mich selbst entscheiden.“

Wer weiß, vielleicht entscheidet sich der moderate Moderator ja am Mittwoch ja ganz alleine für sein ganz persönliches „Gänsehautfeeling pur“? Die Voraussetzungen sind jedenfalls gut. „Natürlich ist mein Hauptgeschäft die Late Night Show“, sagt Harald Schmidt. „Aber wenn ich die Möglichkeit bekomme, an so einem großartigen Haus zu arbeiten, das noch dazu von Jossi Wieler geleitet wird und in einer Stadt steht, in der ich selbst die Schauspielschule besucht habe, dann ist das für mich einfach ein Traum.“ Wir verstehen das gut – vor allem wenn wir lesen, dass Schmidts Theaterlaufbahn in Augsburg mit einem kleinen Satz begann, den Lessing einem Nebendarsteller seines Schauspiels „Nathan der Weise“ in den Mund legte. „Nur hier herein!“, durfte der blutige Anfänger damals sagen. Mehr nicht. Er hat das Versäumte lange schon nachgeholt.

Info

Premiere und Live-TV-Übertragung am Mittwoch ab 20.15 Uhr.

Als „Oper im Park“ ist das Stück live im Schlossgarten zu erleben. Der Eintritt ist frei.

3-Sat überträgt die Premiere vollständig. Im SWR-Fernsehen führt Harald Schmidt die Zuschauer während der laufenden Vorstellung hinter die Kulissen.

Auf Arte Live Web kann man unter verschiedenen Kameraperspektiven wählen.

Die Vorstellung in der Oper ist ausverkauft. Dirigent ist Antony Hormus, es singen Shigeo Ishino, Simone Schneider, Atalla Ayan, Matthias Hölle, André Morsch, Rebecca von Lipinski, Pumeza Matshikiza und Ronan Collett.