Designiertes Leitungsteam der Oper Stuttgart: Viktor Schoner (rechts) und sein Generalmusikdirektor Cornelius Meister Foto: dpa

Wo kommen wir her? Und wo gehen wir hin? Diese Themen umkreist die Mannschaft um den künftigen Stuttgarter Opernintendanten Viktor Schoner in ihrer ersten Spielzeit. Das Vermittlungsangebot der Jungen Oper, die in die Spielstätte Nord umzieht, wird ausgeweitet.

Stuttgart - Ob der grell orangefarbene Teppich bleiben wird, den Viktor Schoners Vor-Vorgänger Albrecht Puhlmann zu seinem Amtsantritt auf dem Flur des Verwaltungstrakts verlegen ließ, ist nicht bekannt. Fest steht indes, dass es in den Zimmern rechts und links des Teppichs demnächst ein reges Aus- und Einziehen geben wird. Viele neue Köpfe gehören zum neuen Opernteam.

Nur im Sängerensemble gibt es viel Konstanz: Da halten sich beliebte langjährige Mitglieder mit Neuzugängen, die Schoners Casting-Direktor Boris Ignatov bei Wettbewerben und in benachbarten Opernstudios entdeckte, gut die Waage. Etliche prominente Gäste (Michael König als Lohengrin, Okka von der Damerau als Ortrud, Falk Struckmann als Blaubart, Mika Kares als Mefistofele) kommen dazu, aber wie bisher soll auch küftig das hauseigene Ensemble im Mittelpunkt der künstlerischen Planungen stehen.

Die erste Premiere – „Lohengrin“ mit dem neuen Generalmusikdirektor Cornelius Meister am Pult und mit dem Ungarn Arpád Schilling als Regisseur – ist Teil eines Eröffnungswochenendes, das mit Achim Freyers „Freischütz“-Inszenierung von 1980 als bewusste Verneigung vor der großen Vergangenheit des Hauses am 28. September beginnt – und das außerdem mit Händels „Ariodante“ laut Viktor Schoner „eine der feinsten Arbeiten von Jossi Wieler und Sergio Morabito“ einschließt. An der Neuproduktion von Béla Bartóks Einstünder „Herzog Blaubarts Burg“ im ehemaligen Paketpostamt an der Ehmannstraße will Schoner festhalten, obwohl dieser Interimsstandort für die Zeit der Opernsanierung offenbar aus dem Rennen ist (was der designierte Opernintendant ansonsten nicht kommentiert).

Weitere Premieren sind Prokofjews „ Liebe zu den drei Orangen“, Kurt Weills „Die Todsünden“ in der ersten Koproduktion aller drei Theatersparten. Henzes „Prinz von Homburg“ und John Adams’ „Nixon in China“ knüpfen an an Traditionen des Hauses an und beschäftigen sich zudem, so der neue Chefdramaturg Ingo Gerlach, mit „Konzeptionen von Wirklichkeit und alternativen Fakten“. Hinzu kommen Glucks „Iphigenie auf Tauris“ und Arrigo Boitos „Mefistofele“.

Völlig neu ist in der kommenden Saison die Junge Oper aufgestellt, die ihre Kräfte bündelt, das Kammertheater dem Ballett und dem Theater überlässt und in die Spielstätte Nord umzieht. JOIN (Junge Oper im Nord) wird künftig die Institution heißen, der Elena Tsavara vorsteht, und geboten werden nicht nur ein interaktives Musiktheater für Kinder von drei bis sechs („Lollo“), drei Produktionen für Kinder ab sechs bzw. acht Jahren (Mozarts „Schauspieldirektor“ und Georges Aperghis’ „Rotkäppchen“), sondern darüberhinaus die Uraufführung des „Antigone-Tribunals“ von Leopold Dick (ab 16) sowie eine „Stückentwicklung“ mit dem Titel „Control CTRL“ (ab zwölf). Die neue „Gläserne Opernwerkstatt“ bietet die Möglichkeit zum Probenbesuch Sitzkissenkonzerte, Preview-Club, Lehrerfortbildungen sowie ein Gartenprojekt zwischen Nord und Opernhaus erweitern das Programm. „Wir gründen ein neues Opernhaus!“, verkündet Viktor Schoner enthusiastisch – und betont so die Aufmerksamkeit, die er dem Aspekt der Musikvermittlung und dem Fragen nach der Zukunft der Gattung Oper zuteil werden lässt.

Cornelius Meister hat schließlich nicht nur charmant eine Lanze für die Vielfarbigkeit der Kammermusikkonzerte gebrochen, sondern auch selbst Klavier gespielt (Chopins Etüde op. 10,5); die Gedanken waren dabei noch schneller als die Finger. Das Aufeinander-Hören der Kammermusik, so Meister, sei ihm ein „zentrales Anliegen“. Passenderes könnte man auch dem neuen Opernteam nicht wünschen.