Filmreife Kulisse: Das Open-Air-Kino im Hof der Ludwigsburger Karlskaserne. Foto: Reiner Pfisterer

Das Ludwigsburger Open-Air-Kino, das an diesem Donnerstag beginnt, ist von einer kleinen Reihe zu einem Event geworden.

Ludwigsburg - Es ist spät am Samstagabend, das Lichterfeuerwerk im Blühenden Barock ist gerade vorbei, da fährt auf dem Hof der Ludwigsburger Karlskaserne ein Taxi vor. Der Wagen hält erst, als er nicht weiter kann, kurz vor einer Leinwand. Heraus steigt ein Mann von etwa 30 Jahren. Etwas blass, nervös und ziemlich aufgeregt vor Vorfreude. An diesem Samstagabend, dem 3. Juli 1993, feiert das Ludwigsburger Open-Air-Kino Premiere.

Gezeigt wird „Night on Earth“ von Jim Jarmusch. Taxifahrer spielen darin tragende Rollen, weshalb Taxifahrer in Ludwigsburg an diesem Abend zum ermäßigten Preis rein dürfen. Angesprochen fühlt sich nur einer, und der fährt jenen blassen, aufgeregten Mann, bis vor an die Leinwand, wo er die Gäste im Kasernenhof begrüßt. Rainer Storz heißt dieser Mann. Er veranstaltet das Ludwigsburger Open-Air-Kino, das mit dem von damals nicht mehr allzu viel gemein hat, noch heute. Weshalb die Geschichte dieses Open-Air-Kinos auch eine auch kleine Kulturgeschichte ist.

Open-Air-Kino in Ludwigsburg, das sind im Jahr 1993: acht Filmabende, 1000 Plätze und Tickets für je neun Mark. Es gibt einen Toilettenwagen und einen Wirt, der Snacks à la Wurst und Pommes anbietet. Der Filmprojektor, der Rollen abspult, steht in einer Art Bauwagen. Die Leinwand misst 119 Quadratmeter.

Open-Air-Kino in Ludwigsburg im Jahr 2019, das sind: 18 Filmabende, 3000 Plätze und Tickets für 9,50 Euro. Es gibt eine kleine Sanitärwelt für sich und acht Gastronomen, die teilweise sehr kreative Leckereien anbieten. Der Auf- und Abbau dauert je drei Tage. Für den digitalen Projektor steht eine geschützte und klimatisierte Vorführkabine bereit. Die Leinwand ist 200 Quadratmeter groß – und nach Angaben von Rainer Storz „die größte in der Region“.

Das, bemerkenswerterweise, war sie auch schon 1993. Aber damals war ja alles neu und ungewohnt und Open-Air-Kino als solches ein Superlativ für sich. Im selben Jahr konnten auch Esslinger und Tübinger Filme im Freien schauen, ansonsten: Neuland – und kein Vergleich mit dem allerersten Open-Air-Kino, das Rainer Storz mit Freunden 1990 in Marbach organisierte: Auf dem Balkon eines Freundes baute er einen Projektor auf und strahlte den Film auf eine Leinwand auf dem Burgplatz. Das kam beim Publikum zwar gut an, erinnert sich Storz. Allerdings waren die Anwohner nicht allzu angetan. Wie praktisch, dass sich bald darauf die Amerikaner aus Ludwigsburg verabschiedeten – und der Innenhof in der Karlskaserne neu erfunden werden konnte. „Ein Sommernachts-Kinotraum wird wahr“, hieß es im Programmheft, das auf zwei Seiten passte.

Wer Franz Eberhofer mag, freut sich wahrscheinlich auf den 3. August. Dann wurstelt sich der Dorfpolizist aus Niederkaltenkirchen durch seinen neuen Fall, dieses Mal als „Leberkäsjunkie“. Wer sich im Kinobusiness ein bisschen auskennt, weiß, dass es sehr besonders ist, dass ein Film, der noch nicht im Indoor-Kino gestartet ist, Outdoor zu sehen ist. Üblich ist eine Frist von sechs Wochen. Früher waren es sechs Monate. Was erklärt, warum im ersten „Sommernachts-Kinotraum“ ausschließlich Filme zu sehen waren, die mindestens zwei Jahre alt waren. „Das war eine Art Best-of-Programm“, sagt Rainer Storz, der neben „Night on Earth“ auch „Thelma & Louise“ zeigte und „Der mit dem Wolf tanzt“.

Heute, da Flatscreens, Blu-ray-Discs und Streaming zum heimischen Standard gehören, sind die Halbwertszeiten für Filme dramatisch kürzer. Und auf dem Ludwigsburger Open-Air-Programm können Filme stehen wie „Rocketman“ oder „Yesterday“oder eben „Leberkäsjunkie“, der jetzt im August womöglich keine allzuguten Chancen im regulären Kino hätte. Im Luna, das der Vollständigkeit halber, läuft er von diesem Donnerstag an, trotzdem.

Das Luna in der Unteren Reithausstraße ist auch Teil der Kinowelt von Rainer Storz, der extrem viel Wert darauf legt, dass er nicht alleine schafft, sondern fünf „tolle“ Kollegen hat. Allerdings ist der 56-Jährige von Anfang an dabei. Eigentlich ist Storz Buchhändler. Doch als sich anno 1986 das Scala anschickte, wieder seriös zu werden, bestritt er mit filmenthusiastischen Freunden das Kinoprogramm im bisherigen Pornokino. Als die Filmakademie in die Stadt kam und mit ihr 1992 das Kino Caligari, übernahm der inzwischen gegründete Verein Kinokult auch dieses Haus. Und weil es im Scala mit den anderen Nutzern nicht immer leicht war, freuten sich die Kinokultler, als sie im Jahr 2000 das Luna eröffnen konnten, ein ausrangiertes Lichtspielhaus. Zur Sicherheit.

Dass das Orfeo in Fellbach auch vom Verein betrieben wird, ist eine andere Geschichte. Doch wie Scala, Caligari und Luna profitiert auch das Orfeo vom Open-Air-Kino. Mit dem großen Sommerprogramm werde die Filmkunst in den Programmkinos aufrecht erhalten, sagt Rainer Storz, dessen Kinokult inzwischen an die 100 000 Euro investiert, um das Open-Air-Event abhalten zu können.

Im bisher besten Jahr kamen insgesamt 34 000 Besucher, das war 2003. Im schlechtesten kamen 17 000, das war 2006, als es fast durchgehend geregnet hat. Natürlich ist das eine miese Zahl. Andererseits sagt sie aber auch, dass sich pro Abend rund 1000 Zuschauer in den Hof der Karlskaserne gesetzt haben, trotz miesen Wetters. Was wiederum sagt, dass es dort, zwischen den alten Gemäuern und Kastanien, einfach umwerfend schön ist. Und das, das war schon bei „Night on Earth“ so.