Ein einziger Demonstrant hat sich am Montag am Opel-Werk in Rüsselsheim mit seinem Protestplakat eingefunden. Foto: dpa

Der französische Autohersteller Peugeot-Citroën (PSA) übernimmt den deutschen Konkurrenten für insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Die Franzosen wollen damit in drei Jahren Gewinn machen – ohne Arbeitsplätze abzubauen.

Paris - Man nennt sich beim Vornamen, schüttelt sich herzlich die Hand und ist rundum „optimistisch“. Das sagt jedenfalls Opel-Chef Karl-Thomas Neumann, der auch nach Paris zur Pressekonferenz von PSA und dem Verkäufer General Motors (GM) geladen ist. Auf der Bühne darf er zwar nur am Rand sitzen. Aber Neumann ist zuversichtlich, dass nach 88 Jahren unter amerikanischer Führung nun dank der französischen Leitung „die Chance besteht, einen wirklichen europäischen Champion zu schaffen“. Wobei Opel eine „deutsche Marke“ und Vauxhall eine „britische Marke“ bleibe, wie der Opel-Chef präzisiert.

PSA zahlt den Amerikanern 1,3 Milliarden Euro für das Unternehmen Opel und 900 Millionen Euro für die „Opel-Bank“ namens GM Financial. Allerdings muss die US-Mutter drei Milliarden Euro für die Begleichung von Pensionsverpflichtungen an PSA überweisen. Unter dem Strich ist der Deal für den Detroiter Konzern damit ein Minusgeschäft. Von „Übernahme“ ist in der Pressemitteilung nirgends die Rede. Opel werde in PSA „eingegliedert“, formulieren die Franzosen elegant. Sie betonen lieber, ihr Konzern werde mit der „Aufnahme“ des Opel- und Vauxhall-Geschäftes in Europa mit einem Marktanteil von 17 Prozent Nummer zwei (hinter VW).

In den Opel-Werken ist derweil die Sorge mit den Händen zu greifen, dass nach einer Trennung von der bisherigen Konzernmutter General Motors Tausende Jobs auf der Strecke bleiben könnten. In Paris versucht PSA-Chef Carlos Tavares, Bedenken zu zerstreuen. Seit er vor drei Jahren bei dem französischen Autobauer das Ruder übernommen habe, sei kein Werk auf der Strecke geblieben: „Eine Fabrik zu schließen ist eher eine allzu simple Lösung“, sagt der 58-Jährige, der den Konzern mit den Marken Peugeot, Citroën und DS mit harter Hand wieder in die Gewinnspur führte. Die Pläne seien auch nicht auf Stellenstreichungen gebaut: „Wir geben den Menschen eine Chance.“

Mehr Wettbewerb innerhalb des Unternehmens

Tavares bekräftigt, dass er die bis 2020 laufenden Abkommen mit den Gewerkschaften einhalten will: „Wir halten Wort, und das allein schon aus ethischen Gründen.“ Und nach 2020, wollen mehrere deutsche Journalisten wissen. „Wir setzen auf einen konstruktiven Geist und einen reifen Dialog, um gemeinsam die Zukunft zu bauen“, meint Tavares nicht eben verbindlich. Doch die Wende ist natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Das Zauberwort heißt bei Tavares Wettbewerb, auch innerhalb des Unternehmens. Jeder habe die Möglichkeit, „Richtgrößen zu erreichen“, und in dem neuen Verbund werde es „europäische Richtgrößen“ geben.

Die Ansage ist klar: Opel-Werke müssen sich künftig bei Kosten und Qualität an Fabriken in Frankreich, Spanien oder Großbritannien messen lassen. Bis 2020 soll die bisherige General-Motors-Tochter wieder profitabel sein. Einen Drei-Jahres-Plan soll es dafür geben, bei dem das Opel-Management in der Pflicht ist. PSA rechnet mit Synergien und Skaleneffekten von 1,7 Milliarden Euro in den Bereichen Einkauf, Fertigung, Forschung und Entwicklung.

Die Gewerkschaften sind stark daran interessiert, in die Planung der neuen Mutter eingebunden zu werden. Daher verzichtet die IG Metall auf öffentliche Kritik und Machtdemonstrationen. Die PSA-Seite hat eine harte Sanierung hinter sich, seit 2011 sind dort fast 30 000 Jobs gestrichen worden. Auch die beiden Vauxhall-Werke in Großbritannien könnten in abgespeckter Form gesetzt sein, um nach einem Brexit auf der Insel für den dortigen Bedarf zu produzieren. Damit konkurrieren Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach mit anderen Opel-Werken in Polen, Spanien und Österreich. Wohin die Reise im neuen Konzern gehen wird, ist schon an aktuellen Modellen zu besichtigen, die aus einer 2012 gestarteten Kooperation zwischen GM und PSA entstanden. In weiten Teilen baugleich rollen gerade der Opel Crossland X, der Citroën C3 Picasso und der Peugeot 2008 auf die Straßen – alle im Opel-Werk Saragossa gefertigt. Offen bleibt die Frage, ob sich Opel in Zukunft neue Absatzmärkte erschließen kann; denn die Amerikaner wollen in Ländern und Erdteilen, wo ihre Modelle stark sind, keine Opel-Konkurrenz. PSA-Finanzdirektor Jean-Baptiste de Chatillon erklärt, dass alle Opel-Modelle wie bisher in jenen Ländern verkauft werden könnten, in denen sie jetzt schon vertreten sind. Opel plane vorerst nicht, den US-Markt zu erobern.

Vorteile der neuen Partnerschaft

Die GM-Vorsitzende Mary Barra, die zur Unterzeichnung des Deals extra aus Detroit eingeflogen ist, wünscht der deutsch-französischen „Partnerschaft“ viel Glück. Dies umso mehr, als GM einen Teil des Verkaufserlöses in Optionsscheinen erhält, die eine Beteiligung an Opels Zukunft ermöglichen. Opel-Chef Neumann sieht nur Vorteile in der neuen Partnerschaft: „Die Ingenieure von Opel und Peugeot arbeiten bei drei Modellen bereits sehr gut zusammen. Das zeigt, dass es möglich ist, Opel- und Vauxhall-Modelle auf einer PSA-Plattform zu bauen.“ Auf die Frage, ob der Deutsche an der Spitze von Opel bleiben werde, überlässt Tavares dem Angesprochenen das Wort. Der erklärt ebenso höflich, er würde seinen Job gerne weiterführen.