Das Freie Radio Stuttgart gibt Flüchtenden eine Stimme. Foto: Wenke Böhm

Immer mehr kleine Radiostationen entdecken schlummernden journalistische Talente der Asylbewerber. Auch in Stuttgart sind Projekte am Start - etwa am Stöckach und auf dem Killesberg.

Stuttgart - Gern erzählt Arnaud Sadio von seiner Zeit als Tageszeitungsjournalist. Der Beruf ist seine Herzenssache, doch diese Epoche ist mittlerweile ganz weit weggerückt, rund 5000 Kilometer weit. Denn das war im afrikanischen Kamerun – damals, vor der Flucht. Seitdem ist alles neu. Seiner großen Liebe frönt der 35-Jährige aber noch immer, heute als Moderator des Refugee Radio im Freien Radio für Stuttgart (FRS) am Stöckach, das in diesen Tagen 20-jähriges Bestehen feiert.

Sadio gehört zum kleinen „harten Kern“ der Sendung, weitere Geflüchtete helfen mit. Projektbegleiterin Diana Müller lobt die wertvollen Kenntnisse der Aktiven, die etwa aus Kamerun, Gambia, Pakistan, Afghanistan und Syrien stammen. Die erste Sendung lief im Mai.

Inzwischen hat Refugee Radio eine Redaktion und einen festen Sendeplatz, jeweils am ersten bis vierten Dienstag im Monat zwischen 17 und 18 Uhr. Gesendet wird in den verschiedenen Heimatsprachen, deshalb kann es vorkommen, dass Beiträge nur von einigen Zuhörern verstanden werden. Finanziert wird das Projekt zunächst vom Förderverein des FRS, der sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden trägt.

Die Vorlaufphase ab Herbst 2015 war kein Zuckerschlecken. „Anfangs gab es einige Anlaufschwierigkeiten“, erklärt Diana Müller. Sprachliche und andere Hürden seien aber mittlerweile überwunden. Das Projekt habe eine Dynamik entwickelt. Nur Frauen sind noch immer rar – da würden sie sich mehr wünschen. Jugendliche möchten sie künftig ebenfalls gern mehr einbinden – erste Ideen dafür werden da bereits umgesetzt.

Arnaud Sadio ist dankbar für die Möglichkeit, im Radio auch über die Themen sprechen zu können, die ihm derzeit auf den Nägeln brennen. „Das Projekt kann helfen, mit Politikern in Kontakt zu kommen“, sagt er. Eine Scheu hat er vor ihnen nicht. Dafür ist er viel zu sehr Profi.

Die ersten Hürden sind inzwischen überwunden

Auch in einem Container auf dem Killesberg wird Radio gemacht. Seit knapp zwei Monaten sendet hier das Radio Rote Wand, und zwar immer freitags von 17 bis 20 Uhr im Internet unter www.goodmorningdeutschland.org. Das Projekt geht zurück auf eine Initiative des Komponisten Hannes Seidl. Er rief im Mai 2016 gleich drei Radioprojekte von und für Flüchtlinge ins Leben, und zwar in Frankfurt, Donaueschingen und Stuttgart. Der Titel „Good Morning, Deutschland“ spielt an auf den Kino-Blockbuster „Good Morning, Vietnam“.

„Wir berichten viel aus dem Containerdorf, hören uns die Anliegen an und schauen, was wir verwenden können“, sagt Issam A.-Karim. Er gehört seit dem Umzug von der Borsigstraße auf den Killesberg zu dem Team von Fatima Berekdar, Felix Heimbach und Ramin Nawabi. Sie machen abwechselnd das Programm und gehen dafür auch immer mal wieder auf Tour oder haben Gäste im Studio, wie zuletzt etwa das Trio Vocal Deluxe. Gesendet wird in Arabisch, Farsi, Englisch und Deutsch.

Ideen für die Anschlussfinanzierung gesucht

Die drei Gründungsmitarbeiter schaffen auf 400-Euro-Basis, Karim ehrenamtlich. Bislang wird das Projekt etwa von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert, doch die Finanzierung läuft im Oktober aus. Deshalb sucht der Freundeskreis Killesberg derzeit nach Ideen für die Anschlussfinanzierung. Karim, der selbst einst als Kriegsflüchtling aus dem Libanon nach Deutschland gekommen ist, wirbt für das Projekt: „Es geht darum, Missverständnisse und Ängste abzubauen. Dazu muss man Türen und Herzen öffnen.“

Refugee Radio ist am ersten bis vierten Dienstag im Monat von 17 bis 18 Uhr in Stuttgart mit Antenne unter 99,2 MHz und via Kabel unter 102,1 MHz zu empfangen, mehr Informationen unter www.freies-radio.de. Das Radio Rote Wand ist freitags von 17 bis 20 Uhr live unter www.goodmorningdeutschland.org zu empfangen. Wer sich engagieren möchte, kann unter info@goodmorningdeutschland.org Kontakt aufnehmen.