Japans Weitenjäger Noriaki Kasai, 45 Jahre: Noch immer wie ein Airbus bei der Landung. Foto: Getty Images

In Pyeongchang trifft sich die Jugend der Welt. Nicht ganz. Einige Sportskanonen sind schon ein bisschen reifer. So wie StN-Autor und Kolumnist Gunter Barner.

Stuttgart - Weil in diesen Tagen so viel von Erneuerung gesprochen wird, kommt unsereinem gleich nach der Politik der Sport in den Sinn. Der im maßvollen Betrieb der Volksgesundheit dient, bei exzessiver Nutzung jedoch die Knorpel an Stellen weg rubbelt, die für die Bewegungsfreude gebrauchter Sportskanonen unablässig sind. „Besser wird’s nicht mehr!“, pflegt der Orthopäde zu nuscheln, dann greift er symbolisch ins Ersatzteillager. Welches Knie hätten Sie denn gern?

In solchen Augenblicken will der arthrosen-gepeinigte Kassenpatient einfach nur ein anderer sein. Beispielsweise die ewig junge Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, bald schon 46. Knochenhart dreht sie in einem Alter noch ihre Runden, in dem sich manche Altersgenossin vorsorglich ein warmes Plätzchen im betreuten Wohnen reserviert. Zwar ist anzunehmen, dass eine Sportlerin derart reifen Alters während ihrer siebten Olympia-Teilnahme nicht ganz ohne Schmerzen auskommt, aber die Eisheilige aus Berlin ist, nach allem was man weiß, immun gegen jedwede Art von Männerschnupfen. Medaillen gibt es eben nicht aus Mitleid.

Wie ein Airbus vor der Landung

Zu überlegen wäre auch, in die Rolle des japanischen Flugsauriers Noriaki Kasai zu schlüpfen. Gefühlt gab es den stets freundlich lächelnden Botschafter der Air Nippon schon, als das Schanzenspringen noch gar nicht erfunden war. Den 45-jährigen Weitenjäger zwicken ein bisschen die Bandscheiben, die Knie quietschen wie die ungeölte Tür eines Panzerschranks und die Furchen des Lebens durchziehen sein Gesicht wie der Shinano-Fluss seine Heimat. Um seine körperliche Unversehrtheit braucht sich dennoch niemand zu fürchten. Die Anlaufspur nimmt er im Stehen und im Flug macht er noch immer eine Figur wie der Airbus vor der Landung. Nach wie vor ungeklärt ist lediglich, welcher Ginseng-Wurzel er sich bedient, um nach dem Telemark wieder in die Senkrechte zu gelangen. Männer aus aller Welt bekunden reges Interesse.

Schnabeltasse, Pflegestufe 3

Vorsicht ist angebracht im Hinblick auf einen Rollenwechsel mit der tschechischen Eishockey-Legende Jaromir Jagr, 45. Er hat es sich angeblich kurz vor den Olympischen Spielen noch einmal überlegt, es wären seine sechsten gewesen, dann aber gekniffen: Kein Comeback in Nationalmannschaft. Er will seine müden Knochen nur noch für den tschechischen Erstligisten HC Kladno hinhalten. Eine vermutlich weise Entscheidung: Denn erstens gehört ihm der Club und zweitens hält sein Knie nur noch mit Hilfe einer Orthese. Der Flügelstürmer mit NHL-Vergangenheit verfügt zwar über große Erfahrung im Nähen von Wunden und Kühlen von Beulen, Hämatomen und Stauchungen aller Art, die Sprints eines Eishockey-Cracks enden aber auffallend häufig ohne Zuhilfenahme eines Airbags abrupt an der Bande. Überdies neigen die mit Adrenalin gefluteten Sportsfreunde zu spontanen Schlägereien, die für Ungeübte schnell mit dem Gebrauch einer Schnabeltasse und Pflegestufe 3 enden könnten.

Und nichts fürchtet der biologische Fortgeschrittene am Ende der Olympischen Spiele mehr als den Anruf seiner juvenilen Nachfahren mit der besorgten Frage: Hey Alter, was geht – noch?