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Maria Riesch über sportliche Hochs und Tiefs und über das Duell mit ihrer Freundin Lindsey Vonn.  

Whistler - Das Training zur Abfahrt der Damen war ein Schock. Der in den letzten Tagen aufgeweichte Schnee war gefroren, die Piste wurde knallhart und gefährlich unruhig. Doch Maria Riesch blieb gelassen: "Man muss es nehmen, wie es kommt." Das gilt auch für das Duell mit ihrer amerikanischen Freundin Lindsey Vonn.


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 Frau Riesch, das Training war wohl intensiv?

Das kann man so sagen. Die Piste ist von oben bis unten eine einzige Rumpelkiste, da habe ich mich einfach nicht wohlgefühlt.

2006 haben Sie die Olympischen Spiele in Turin wegen einer Verletzung verpasst. Nun steht die Premiere an, wie groß ist trotz aller Probleme die Vorfreude?

Sehr groß. Olympia - das ist einfach ein besonderes Ereignis, das will ich auch genießen. Ich weiß ja schließlich nicht, was in vier Jahren sein wird.

Die Generalprobe für Olympia hatte zwei Seiten. Der Sieg in der Abfahrt von St. Moritz war eingebettet in die Enttäuschungen in der Kombination und im Super-G. Mit welchem Gefühl gehen Sie in Whistler an den Start?

Also erst mal will ich über den Super-G gar nicht meckern. Im Gegenteil: Ich hatte in diesem Rennen einen riesengroßen Schutzengel. Ich hätte mir da fast den Haxen gebrochen, dafür war der elfte Platz eigentlich noch ganz okay. Die größere Enttäuschung war der Ausfall in der Kombination.

Danach haben Sie die Abfahrt gewonnen - und damit wieder einmal gezeigt, wie schnell Sie Niederlagen abhaken können. Wie machen Sie das eigentlich?

Ich glaube, das ist einfach typbedingt. Nach Rennen, die ich vergeigt habe, bin ich schon unheimlich enttäuscht und ärgere mich den ganzen Tag. Dann ist es mir aber auch wichtig, dass ich am Ende eines solchen Tages das Ganze dann auch abhaken und aus dem Kopf bekommen kann. Und dass ich mich wieder auf meine Stärken besinne.

Das fällt sicher nicht immer leicht.

Stimmt, aber es war zum Glück ja auch nicht so, dass ich mich mit echtem Misserfolg beschäftigen musste. Es war nie so, dass ich einfach langsam war. Ich war meistens schnell unterwegs und bin dann ausgeschieden. Das macht in der Aufarbeitung natürlich einen riesengroßen Unterschied. Denn so weiß ich trotzdem, dass ich schnell fahren kann - und in meinem Selbstvertrauen werde ich nicht beeinträchtigt.

Sie hatten auch Phasen in Ihrer Karriere, in denen Sie sich nach schweren Verletzungen von viel weiter unten haben hochkämpfen müssen. Hilft Ihnen das heute?

Es ist auf jeden Fall so, dass mich dieser Weg raus aus den Verletzungen zurück an die Weltspitze gestärkt hat. In meinem Charakter und in meinem Durchhaltevermögen, ich habe da einfach bewiesen, dass ich mich durchbeißen kann. Und das war damals sicher um einiges schwieriger als jetzt, wenn mal ein einziges Rennen nicht so gut läuft.

Klingt einfach, ist es vermutlich aber nicht.

Es war für mich damals einfach wichtig, dass mich die Leute um mich herum immer unterstützt haben, ganz speziell die Trainer. Unser Chefcoach Mathias Berthold zum Beispiel war in dieser Zeit eine ganz wichtige Person für mich. Er hat mir immer das Gefühl gegeben, dass er an mich glaubt - auch wenn es ihm sicher selbst manchmal schwergefallen ist.

Bei Olympia ist der Druck gewaltig, Sie sind eine der Topfavoritinnen.

Ach, das empfinde ich gar nicht so. Ich habe zwar fünf Chancen, sehe mich aber in keiner Disziplin als absolute Topfavoritin.

Wo sehen Sie Ihre größte Chance? Im Slalom?

Nein, da eigentlich weniger.

Sondern?

In der Kombination. Denn ich finde, dass ich im Weltcup diejenige bin, die diesen Mix aus technischen und Speeddisziplinen am besten hinbekommt. Meine stärkste Disziplin ist heuer eigentlich die Abfahrt, aber da wird es mit Gold sicherlich schwierig.

Lindsey Vonn ist da ziemlich dominant. Sie hat fünf von sechs Rennen gewonnen.

Das stimmt, aber ich habe das letzte Abfahrtsrennen vor Olympia gewonnen. Das gibt mir großes Selbstvertrauen.

Ihre Freundschaft zu Linsey Vonn ist bekannt. Aber irgendwann muss es doch auch mal nerven, die beste Freundin immer jubelnd zu sehen, wenn man selbst gerne gewonnen hätte.

Ich stand ja zum Glück nie daneben und musste so richtig enttäuscht sein. Meist waren wir bei ihren Erfolgen ja gemeinsam auf dem Podium.

Aber . . .

. . . es ist schon ab und zu zermürbend. In Cortina zum Beispiel. Da schwinge ich nach einer sehr guten Fahrt im Ziel ab und denke: Mensch, heut' könnte es vielleicht reichen. Und dann kommt die Lindsey, und ich muss eingestehen, dass ich das Rennen allein im unteren Teil verloren habe. So was ist schon hart. Aber ich habe mich nicht beirren und zu sehr von diesem ganzen Rummel um das sogenannte Duell der Freundinnen drausbringen lassen.

Wie würden Sie Ihre Freundschaft zur gleichzeitig größten Konkurrentin denn beschreiben. Fußballer sagen immer: Für 90 Minuten muss unsere Freundschaft ruhen.

Das kann man bei uns schon auch so sehen. Beim Rennen, da geht es ums Gewinnen. Ich will jetzt nicht sagen: Da hört die Freundschaft auf, ich kann ihr das schon gönnen und auch eingestehen, dass sie einfach eine Ausnahmeathletin ist. Aber es ist schon so, dass diese Freundschaft auf zweierlei Ebenen abläuft. Das eine ist der Sport, da duellieren wir uns, da ist man auch mal sauer und enttäuscht. Auf der anderen Seite ist da aber diese Freundschaft, die auch eine Niederlage bei Olympia nicht gefährden kann.


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