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Carlo Janka, der Skirennfahrer aus der Schweiz, gibt auf der Piste immer Vollgas

Whistler - Zugegeben: Es war nicht ganz leicht, in den vergangenen Tagen alpiner Skirennläufer bei den Olympischen Spielen zu sein. Es wurde geplant und wieder verworfen, neu angesetzt und wieder verschoben. Gelinde gesagt: Es herrschte Chaos. Um das Nervenkostüm des einen oder anderen Athleten kann man sich da schon mal Sorgen machen. Bei Carlo Janka aber wären sie völlig unbegründet.

In der Super-Kombination der Herren ist Janka einer der ganz großen Favoriten, denn in der Abfahrt belegte er mit 0,71 Sekunden Rückstand auf den neuen Olympiasieger Didier Defago den elften Platz. Man könnte sich nun die Mühe machen und den Schweizer auf diese Tatsache ansprechen, ihn fragen, ob er deshalb nicht ein bisschen nervös ist und ob es nicht irgendwie schon angefangen hat zu kribbeln. Wie gesagt, man kann das versuchen. Nur viel bringen würde es nicht. Denn Janka sagt in solchen Fällen nur das, was er immer sagt: "Was soll ich nervös sein? Es ist doch nur ein Skirennen."

Richtig, das ist nicht sonderlich viel. Aber es ist schon eine Steigerung. Denn Janka ist zwar eine Plaudertasche - aber eine mit Reißverschluss. Und der ist eigentlich immer zu. Es ergibt daher auch keinen Sinn, diesen Mann in einem kurzen Gespräch ergründen zu wollen. Das ist aber nicht sonderlich schlimm. Es gibt ja Marco Büchel.

Marco Büchel ist Liechtensteiner, trainiert aber mit dem Schweizer Nationalteam - und seit viele Leute viel über Carlo Janka wissen wollen, ist Büchel so eine Art sprechendes Personenlexikon. Zu Beginn seiner Ausführungen steht dann immer diese Geschichte von vor acht Jahren: Büchel startete zu Trainingszwecken bei einem Fis-Rennen. Als dieses vorbei war, gönnte er sich in einer Hütte ein Mittagessen. Dort sah er dann Janka sitzen - und machte sich ziemlich große Sorgen um den Jungen. "Ich fragte mich ernsthaft, ob sie diesem Burschen die Zunge rausgeschnitten haben", erzählt Büchel, "er saß in einer Ecke, ohne ein Wort von sich zu geben. Als ob er sich schämen würde." Dabei hatte Janka dieses Rennen gerade gewonnen.

Der Mann, den sie Büxi nennen, kann noch mehr solche Dinge erzählen über den Jungen, den sie Jänks nennen. Aber er kann auch anders - und zwar: in den höchsten Tönen schwärmen. "Wenn er etwas sagt", erklärt Büchel, "dann hat das Hand und Fuß." Außerdem preist er den feinen, trockenen Humor des 23-Jährigen aus Obersaxen. Noch viel mehr angetan ist Büchel aber, wenn es um das Talent Jankas geht. "Er bringt das ganze Paket mit", sagt der Liechtensteiner, "deshalb ist er ein Mann für die ganz großen Momente."

2009 siegte er bei der WM in Val d'Isère im Riesenslalom, im Dezember gewann er in drei Tagen drei Rennen in drei Disziplinen. Das hatte bis dahin nur Jean-Claude Killy 1967 geschafft. Sein wohl größter Coup gelang Janka in diesem Jahr: der Sieg auf der Lauberhorn-Abfahrt in Wengen - mit gerade mal 23 Jahren. "Dass man in diesem Alter ein solches Gefühl für die Linie haben kann ist unglaublich", staunte Altmeister Didier Cuche (35) - und ging im Ziel vor Janka auf die Knie. Ach ja, auch Janka hatte an diesem Tag eine Art emotionalen Ausbruch: Er streckte den Finger nach oben.

Vielleicht würde ihn ja ein Olympiasieg ein wenig mehr aus der Fassung bringen. Erwarten sollte man das aber nicht. "Carlo", sagt sein Trainer Jörg Roten, "würde auch nicht erschrecken, wenn neben ihm der Blitz einschlagen würde." Noch Fragen? Dann wenden Sie sich an Marco Büchel.


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