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Tobias Angerer sorgte mit seiner Silbermedaille für die Erlösung. Trotzdem gab's Kritik vom Trainer.  

Whistler - Er war schon etwas müde am Samstagabend Ortszeit in Whistler, das sah man ihm an. Aber hey, wenn der Chef extra anreist, dann kann man sich schon noch mal für ein paar Minuten zusammenreißen. Also stand Sportsoldat Tobias Angerer brav an der Seite von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und streckte den Daumen in die Kamera. Immerhin: Es war ja nicht umsonst, dieses ganze Getöse, es gab ja etwas zu feiern. Eine Silbermedaille - und die Erlösung.

Ein paar Stunden zuvor in der Mittagshitze von Whistler Mountain - es war tatsächlich verdammt warm gewesen. Gleich zu Beginn der 30-Kilometer-Doppelverfolgung legten die besten Langläufer der Welt ein Tempo vor, das viele von ihnen bald büßen mussten. "Ich habe beinahe einen Son-nenstich bekommen", sagte Tobias Angerer später. Aber nur beinahe. Denn statt den heißen Temperaturen zu erliegen, machte der Bayer aus Traunstein das, was er fast immer macht, wenn ein Großereignis ansteht: Er zeigte seine Klasse.

Schon im Rennen über 15 Kilometer Freistil, als er Siebter geworden war, habe er sich gut gefühlt, erklärte er später, umso selbstsicherer sei er dann in diesen noch viel härteren Wettbewerb am Samstagmittag gegangen. "Ich war mir sicher, dass ich eine Medaille hole", sagte er. Nicht einmal der Verlust eines Stockes auf der ersten Skating-Runde konnte den 32-Jährigen aufhal-ten. Von einem Schweizer Betreuer bekam Angerer vorübergehenden Ersatz ("Das war großes Fair Play"), und als es wenig später auf die Zielgerade ging, spielte er seine ganze Klasse im Schlussspurt aus - und holte Silber hinter dem Schweden Markus Hellner. Jens Filbrich komplettierte das starke Ergebnis der deutschen Langläufer mit Rang sechs. Der wahre Erlöser aber war Tobias Angerer. Mal wieder.

Schon vor vier Jahren hatte sich nach erfolglosen ersten Rennen Unmut breitgemacht im deutschen Langlauflager. Und auch jetzt in Whistler war die Stimmung alles andere als prächtig. Besonders die Damen bekamen nach dem schwachen Verfolgungsrennen mal wieder den Frust von Jochen Behle zu spüren. Der Bundestrainer bemängelte den Trainingseifer der Damen und kündigte für das Saisonende einen rigorosen Schnitt an, lediglich Evi Sachenbacher-Stehle nahm er von seiner Kritik aus.

Bei den Spielen von Turin hatte Angerer das deutsche Team mit Bronze über 15 Kilometer mitgerissen - danach folgten weitere Medaillen. "Vielleicht kann das wieder eine Initialzündung sein." 

Tobias Angerer wird beim Teamsprint aussetzen, er verfolgt noch andere Ziele. "Mit der Staffel wollen wir eine Medaille gewinnen", sagt er, "und auch im 50-Kilometer-Rennen ist noch etwas möglich."

Helfen wird Angerer bei all den anstehenden Aufgaben seine mittlerweile immense Erfahrung. Nachdem er schon 2002 Staffel-Bronze gewonnen hatte, sei er 2006 mit zu hohen eigenen Ansprüchen nach Turin gereist, dieses Mal "war ich viel lockerer". Weil er auch seinen Alltag wieder ordentlich strukturiert hat. Nach der Geburt seiner Tochter Karlotta im September 2008 war der Lebensrhythmus kurzzeitig durcheinandergeraten. Mittlerweile hat alles wieder seine Ordnung. Hinzu kommt nach nun vier olympischen Medaillen eine Art innere Zufriedenheit. "Ich muss keinem mehr etwas beweisen", sagt Angerer. Auch wenn ihm eine Medaille in seiner Sammlung noch fehlt: die goldene. Aber die kann ja noch kommen.

Der Chef allerdings ist dann wieder zu Hause. Aber vielleicht ist das vor dem Staffelrennen auch gar nicht so schlecht. Denn im Hause zu Guttenberg ist auf der Zielgeraden ja nicht immer ganz klar, für wen die Herzen schlagen. Ist doch die Frau des Verteidigungsministers Halbschwedin.


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